Süddeutsche Zeitung

Rassismus:Pfarrer gibt nach Morddrohungen auf

  • Zornedings katholischer Pfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiende wird die Pfarrei Sankt Martin verlassen.
  • Der gebürtige Kongolese hat in den vergangenen Monaten fünf Morddrohungen erhalten, weil er sich klar gegen die rechtspopulistischen Äußerungen der ehemaligen CSU-Ortsvorsitzenden positioniert hatte.

Von Carolin Fries

Olivier Ndjimbi-Tshiende gilt als eigenwilliger, aber mutiger Pfarrer. Der gebürtige Kongolese, der seit 2012 als Seelsorger in Zorneding arbeitet, geht keinem Konflikt aus dem Weg. So auch nicht mit der örtlichen CSU: Als im Herbst deren damalige Vorsitzende einen rechtspopulistischen Text veröffentlichte, verurteilte Olivier Ndjimbi-Tshiende das scharf. Das brachte ihm bundesweit Schlagzeilen ein, in der Münchner Vorortgemeinde allerdings noch mehr Ärger und Anfeindungen. Jetzt gibt er auf: Er hatte in den vergangenen Wochen rassistische Post und fünf Morddrohungen erhalten. Die Kriminalpolizei Erding ermittelt.

Im Gottesdienst am Sonntagvormittag informierte Olivier Ndjimbi-Tshiende die Pfarrgemeinde über seinen Weggang zum 1. April. Er sagte, "die Erfahrungen der letzten Zeit" hätten ihn zu dieser Entscheidung geführt. Die "Erfahrungen der letzten Zeit": Das waren nach Informationen der Süddeutschen Zeitung etwa Postkarten, auf denen "Ab mit Dir nach Auschwitz" stand und ihm offen mit Gewalt und Mord gedroht wurde. "Nach der Vorabendmesse bist Du fällig" soll zudem in Zorneding krakeelt worden sein. In drei Fällen hat Ndjimbi-Tshiende deshalb Anzeige wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Bedrohung erstattet.

Erklärung für Montag angekündigt

Das Erzbischöfliche Ordinariat München und Freising hat sein Rücktrittsgesuch Anfang der vergangenen Woche angenommen und eine Erklärung zu den Zornedinger Vorgängen für Montag angekündigt. Aus Kirchenkreisen heißt es, die Zornedinger Vorgänge seien die schlimmsten und deutlichsten Repressalien gegen Kirchenmitarbeiter, die in der Flüchtlingsdebatte klar Stellung beziehen. Generell verschlechtere sich aber das Klima, auch in der Flüchtlingshilfe engagierte Gläubige und Pfarrer sähen sich immer stärker Anfeindungen ausgesetzt.

Auslöser für die Zornedinger Eskalation dürften die Vorgänge um die frühere CSU-Chefin Sylvia Boher gewesen sein. Anders als viele Politiker hatte der Pfarrer klare Worte gegen deren Beitrag im Parteiblatt Zorneding Report gefunden. Darin hatte Boher, die inzwischen zurückgetreten ist, Flüchtlinge unter anderem als "Invasoren" beschrieben. Der Pfarrer kritisierte das scharf und appellierte an die Zornedinger CSU, dem christlichen Glauben Rechnung zu tragen.

Die Situation spitzte sich zu, als der Pfarrgemeinderat die Redaktion des Zorneding Report aufforderte, das Logo der Kirchtürme künftig nicht mehr zu verwenden. CSU-Vize Johann Haindl war daraufhin gegen den Pfarrer ausfällig geworden: "Der muss aufpassen, dass ihm der Brem (Zornedings Altpfarrer, Anm. d. Red.) nicht mit dem nackerten Arsch ins Gesicht springt, unserem Neger."

"Wie überall auf der Welt gibt es auch hier rassistisch eingestellte Leute"

Olivier Ndjimbi-Tshiende lebt seit 2005 in Deutschland, hat seit 2011 auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Seit 2012 arbeitet er in Zorneding, wo er von den meisten Gläubigen sehr geschätzt wird, wo es aber auch wegen unterschiedlicher Auffassungen über die Pfarrverwaltung Konflikte gab. Im Oktober hatte Ndjimbi-Tshiende noch in einem Interview mit der SZ gesagt, als dunkelhäutiger Pfarrer habe er noch keine Ausgrenzung in Zorneding erlebt. "Aber wie überall auf der Welt gibt es auch hier rassistisch eingestellte Leute", sagte er damals. Diese würden sich aber verstecken, weil er Pfarrer sei. Das hat sich offenbar geändert.

Die Zornedinger zeigten sich am Sonntag nach der Messe überwiegend betroffen von Ndjimbi-Tshiendes Ankündigung: "Schade, ich habe ihn sehr geschätzt", sagte eine Zornedingerin. In seiner Sonntagspredigt fragte Ndjimbi-Tshiende die Kirchengemeinde, wie jeder Einzelne zu den christlichen Werten Barmherzigkeit und Toleranz stehe. Er bete für die Unversöhnlichen.

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SZ vom 07.03.2016/kbl
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