Süddeutsche Zeitung

Rammstein-Konzert in München verboten:Zu provokant für Totensonntag

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Am Totensonntag sollte die Band Rammstein in der ausverkauften Olympiahalle in München spielen. Die Stadt hat das Konzert wegen des Tanzverbots untersagt - dabei haben in den vergangenen Jahren an diesem Tag sehr wohl Konzerte stattgefunden.

Karoline Meta Beisel

"Suche gut gebauten Achtzehn- bis Dreißigjährigen zum Schlachten" - in "Mein Teil" singt die deutsche Band Rammstein über den Fall des Kannibalen von Rothenburg. Das Video zu dem Lied darf vor 22 Uhr nicht gezeigt werden, das jüngste Album "Liebe ist für alle da" wurde gleich ganz auf den Index gesetzt. Trotzdem: Eines der Musikvideos zu dem Album erhielt 2011 einen "Echo". Genial oder ekelhaft: An Rammstein scheiden sich die Geister.

Das Münchener Kreisverwaltungsreferat (KVR) untersagte ihr ausverkauftes Konzert in der Olympiahalle am 20. November, das Verwaltungsgericht München hat die Entscheidung am Donnerstag vorläufig bestätigt.

Die Begründung: Am 20. November ist Totensonntag. Vielerorts werden dann die Namen der im vergangenen Jahr Verstorbenen im Gottesdienst verlesen, Angehörige besuchen die Gräber auf den Friedhöfen. Nach dem bayerischen Feiertagsgesetz ist Totensonntag ein "Stiller Tag": Öffentliche Unterhaltungsveranstaltungen sind an solchen Tagen nur dann erlaubt, wenn "der diesen Tagen entsprechende ernste Charakter" gewahrt ist. "Tanzverbot" sagt der Volksmund zu dieser Regelung.

"Wenn eine Gruppe an diesem Tag nicht sonderlich gut passt, dann ist es Rammstein", sagt Wilfried Blume-Beyerle, der Chef des KVR. Das würde klar, wenn man sich die Bühnenauftritte der Band anschaut: "Eine spektakuläre, laute Gesamtinszenierung mit brennenden Menschen und wilden Texten." In den Liedtexten von Rammstein geht es häufig um tabuisierte Themen, wie sexuellen Missbrauch, Kannibalismus oder Sadomasochismus. Das Lied "Heirate Mich" von Rammsteins erstem Album "Herzeleid" aus dem Jahr 1995 handelt von einem Mann, der nachts die Leiche seiner Frau ausgräbt, um mit ihr Sex zu haben.

"Warum kommen die auf die Idee, gerade an dem Tag ein Konzert zu geben?", fragt sich Blume-Beyerle. Franz Erlmeier, der Rechtsanwalt des Konzertveranstalters, klagte im vorläufigen Verfahren gegen das Verbot, wahrscheinlich will er jetzt beim Verwaltungsgerichtshof in die zweite Instanz gehen. Er findet die Entscheidung willkürlich: "In den vergangenen Jahren haben über hundert Konzerte an solchen Stillen Tagen stattgefunden, auch Rock- und Popkonzerte: Warum soll gerade Rammstein nicht gehen?" Die Band sei künstlerisch arriviert und weltbekannt, ihre Show von einer modernen Operninszenierung gar nicht so weit weg. Selbst die Bayreuther Festivalchefin Katharina Wagner bekenne sich als Rammstein-Fan.

Dass das KVR, das bei jeder Veranstaltung klären muss, ob sie den "ernsten Charakter" des Tages wahrt, dadurch die Rolle eines Zensors bekommt, findet auch Blume-Beyerle problematisch: "Wenn das ein höheres Gericht mal entscheidet, hab' ich da nichts dagegen."

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Quelle:
SZ vom 21.10.2011
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