Süddeutsche Zeitung

Ramersdorf:Heizwerk auf der Liegewiese

Das Michaelibad ist als Geothermie-Standort in der engeren Wahl. Die Lokalpolitiker können sich für die Pläne der Stadtwerke durchaus erwärmen

Von Hubert Grundner, Ramersdorf

Es ist ein Projekt, für das sich der Bezirksausschuss (BA) Ramersdorf-Perlach durchaus erwärmen kann - falls die Rahmenbedingungen stimmen. Gemeint ist eine von den Stadtwerken München (SWM) im Stadtbezirk geplante Geothermieanlage. Als ein möglicher Standort ist dafür offenbar das Michaelibad favorisiert, weshalb sich die Lokalpolitiker noch einmal eingehend von den SWM informieren lassen wollten, ehe konkrete Entscheidungen getroffen werden.

Das ist inzwischen im Unterausschuss Bauvorhaben, Stadtplanung und Bürgerbeteiligung auch geschehen. Und zwar in einem "intensiven Gespräch", wie Wolfgang Thalmeir (CSU) seinen Eindruck von der Zusammenkunft jüngst im BA beschrieb. Dabei war ihm eine gewisse Begeisterung über die Vorteile dieser Form der Energiegewinnung, bei der heißes Wasser in tieferen Erdschichten angezapft wird, deutlich anzumerken. Den Anstoß für den Informationsaustausch mit den Geothermieexperten der Stadtwerke gab eine Anfrage der CSU-Fraktion im BA. Sie wollte Näheres darüber wissen, welche Planungen und konkreten Standorte zur Realisierung von Geothermieanlagen im Stadtgebiet noch aktuell sind. Ursprünglich waren sie als Ersatz für die Heizleistung des Heizkraftwerks (HKW) Nord gedacht, das bekanntlich nach einem Bürgerentscheid heruntergefahren werden sollte. Zwischenzeitlich aber habe der TÜV Süd die Systemrelevanz des Heizkraftwerks Nord/Block 2 für die Wärmeversorgung in München bestätigt und bekräftigt, heißt es zur Begründung der Anfrage. Darauf ergebe sich auch eine längere Laufzeit des HKW. Gleichzeitig werde kolportiert, dass die Planungen für eine Geothermieanlage im Umfeld des Michaelibads weiterhin konkretisiert würden. Abschließend heißt es: "Sollte dies der Fall sein, möchte der BA 16 möglichst frühzeitig eingebunden werden."

Dieser Bitte um Auskunft sind die Stadtwerke vor Kurzem auch noch einmal in schriftlicher Form nachgekommen. So heißt es in einem Schreiben an den BA-Vorsitzenden Thomas Kauer (CSU), die Planung der Geothermie sei primär unter dem Aspekt der Fernwärme-Vision 2040 zu betrachten. Die ziele darauf ab, "die Fernwärmebereitstellung bis 2040 - nach Möglichkeit schon bis 2035 - CO₂-neutral zu gestalten". Sie diene aber auch der Umsetzung des Bürgerentscheids "Raus aus der Steinkohle".

Konkret planen die SWM derzeit noch mit drei Standorten im Stadtgebiet. Davon zwei, die speziell in die Fernwärmenetze einspeisen, die aktuell vor allem aus dem HKW Nord versorgt werden. Ein dritter Standort im Südosten von München sei weiter in der konzeptionellen Planung enthalten, da dort die höchsten Wassertemperaturen zu erwarten seien, und somit dort die Anlage am effizientesten betrieben werden könne. Der Standort Michaelibad weist jedenfalls "aus Sicht der SWM die idealen Voraussetzungen" auf. Die gewonnene Fernwärme könne ins östliche Innenstadtnetz und ins Fernwärme-Netz Nord eingespeist werden. In diese Netzbereiche könnten sonst keine Geothermie-Anlagen einspeisen. Und im näheren Umfeld des Michaelibades haben die Stadtwerke ihren Angaben zufolge oberirdisch bislang keine alternativen Standorte gefunden. Ein Aussage, die Wolfgang Thalmeir bezweifelte. Er könne sich durchaus andere geeignete Stellen im Stadtbezirk vorstellen.

Um sich selbst einen Eindruck von den Arbeiten am Bohrloch zu verschaffen, wollten einige BA-Mitglieder im März auf Einladung der Stadtwerke eine aktuelle Baustelle an der Schäftlarnstraße besichtigen. Dort sind laut SWM nach knapp zwei Jahren die Bohrarbeiten für die Geothermieanlage am HKW Süd nun abgeschlossen. Am Samstag, 14. März, haben demnach die letzten wahrnehmbaren Pumpversuche begonnen. Sie sind auf drei Wochen angelegt worden und sollen zeigen, ob Ergiebigkeit und Temperatur des Thermalwasservorkommens den Erwartungen entsprechen. "Die bisherigen Ergebnisse der Leistungstests zeigten bereits, dass die Temperatur deutlich höher ist als erwartet, die Ergiebigkeit liegt im Plan", heißt es von Seiten der SWM. Auf Basis dieser Daten sei man zuversichtlich, dass die tatsächliche Leistung der Anlage über den geplanten 50 Megawatt liegen werde und so mehr als 80 000 Münchnerinnen und Münchner mit Ökowärme versorgt werden können.

Ans Netz gehen soll die Geothermieanlage dann in der Heizsaison 2021. In Riem hingegen ist eine Geothermieanlage der Stadtwerke bereits seit Jahren in Betrieb - weshalb sich die BA-Mitglieder im April dort einmal umsehen wollten. Ob der Termin angesichts der Corona-Krise tatsächlich stattfindet, erscheint derzeit fraglich.

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SZ vom 08.04.2020
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