Süddeutsche Zeitung

Ramersdorf:Grüne Bastion

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Die Firma Seebauer will Mitarbeiterwohnungen bauen. Dafür müsste ein Bolzplatz verschwinden, den die Nachbarn unbedingt behalten wollen. Der Streit dreht sich ums Baurecht, eigentlich geht es aber um den sozialen Frieden

Von Hubert Grundner, Ramersdorf

Es kommt nicht oft vor, dass die Mitglieder des Bezirksausschusses (BA) Ramersdorf-Perlach einem Bauprojekt eine Sondersitzung widmen. Es kommt allerdings auch nicht allzu oft vor, dass sich dagegen so heftiger Widerstand formiert wie in diesem Fall: Eine Bürgerinitiative (BI) will verhindern, dass die Firma Seebauer an der Ottobrunner Straße ihre Betriebsstätte erweitern und zusätzlich bis zu 50 Mitarbeiterwohnungen bauen darf. Wobei sich der Protest anscheinend weniger am Bauprojekt als solchem entzündet als am drohenden Verlust des Bolzplatzes an der Adam-Berg-Straße.

Nachdem bereits 50 bis 60 Gegner der Planungen zur Sondersitzung gekommen waren, erschienen sie beim jüngsten Termin erneut zahlreich im Pfarrsaal von St. Stephan. Dort hatte der BA über zwei Anträge zum Thema zu entscheiden: Nummer eins zielte auf den Erhalt der Grünfläche sowie die Ablehnung des gesamten Bauvorhabens. Nummer zwei forderte den BA auf, seine bisherigen Stellungnahmen zu den Plänen der Firma Seebauer zu widerrufen. Beides lehnten die Lokalpolitiker mehrheitlich ab.

Die Begründung dafür lieferte Wolfgang Thalmeir (CSU), der Vorsitzende des Unterausschusses Bauvorhaben, Stadtplanung und Bürgerbeteiligung. Vorausgegangen waren ausführliche Diskussionen mit den Bürgern, dem Investor Bernhard Gerstenkorn, dem leitenden Baudirektor Thomas Rehn sowie der BI-Sprecherin Christine Burger bei der Sondersitzung. Dabei hatten die Mitglieder des Unterausschusses Bau den Eindruck gewonnen, dass sich ihre bisherigen Stellungnahmen weitgehend mit den von den Bürgern vorgetragenen Bedenken und Kritikpunkten deckten. So forderten sie, dass sich durch das Projekt das Verkehrsaufkommen auf der Adam-Berg-Straße nicht erhöhen dürfe. Die Stadt müsse auch im Auge behalten, dass durch den Zuzug von Familien künftig ein hoher Bedarf an Frei- und Spielflächen bestehe. Ebenso kritisierte der BA die geplante Höhenentwicklung, die keine Rücksicht auf die angrenzende Reihenhausbebauung nehme und "wie eine Mauer" wirke.

Zugleich räumte Thalmeir ein, dass die Rolle, die der Bolzplatz für den Klimaschutz sowie den sozialen Frieden in der Nachbarschaft spiele, bislang noch nicht thematisiert wurde. Das soll nun - nach einem entsprechenden Beschluss des Gremiums - nachgeholt und der Sachstand bei der Stadt abgefragt werden. Gleiches gilt für zwei weitere von der BI vorgebrachte Einwände: Der Bolzplatz sei als Grünfläche in der städtischen Grünanlagensatzung aufgeführt und deshalb besonders vor einer Bebauung geschützt. Außerdem würde eine Baugenehmigung im Widerspruch zu einer früheren Entscheidung der Verwaltung stehen: So sei ein Bauantrag an gleicher Stelle abgelehnt worden mit dem Hinweis, dass man sich hier nicht im Innenbereich, sondern im Außenbereich befinde. Auch zu diesen Punkten verlangt der BA nun Auskunft von der Stadt.

Den Gegnern der Seebauer-Pläne reichte das erkennbar nicht. BI-Sprecher Tobias Schmid bezweifelte die Rechtmäßigkeit der bisherigen Entscheidungen, da den Lokalpolitikern wesentliche Fakten nicht bekannt gewesen seien. Gemeint war damit insbesondere der Status des Bolzplatzes als Grünanlage und die Streitfrage, ob sich das Projekt tatsächlich im Innenbereich befindet. Außerdem, so Schmid, verfüge die Firma Seebauer über weitere Grundstücke, auf denen sich das Vorhaben auch realisieren ließe. Woraufhin der Bezirksausschuss-Vorsitzende Thomas Kauer (CSU) erwiderte, dass diese Entscheidung immer noch beim Eigentümer liege. Die Stadt habe nur die Rechtmäßigkeit des Bauvorhabens zu prüfen.

Wolfgang Thalmeir wiederum riet der Bürgerinitiative - persönlich und als Jurist -, sich im Ringen um den Erhalt des Bolzplatzes nicht zu sehr auf die Grünanlagensatzung zu versteifen. Denn die regele sicherheitsrechtliche und keine baurechtlichen Bestimmungen. Am Ende aber gehe es, wie meist im Baurecht, um die Abwägung konkurrierender Rechtsgüter. Dass das gerade in diesem Fall schwierig ist, "gebe ich zu".

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Quelle:
SZ vom 15.04.2019
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