Ramersdorf:Ein klares Unentschieden

Siedlung an der Haldenseestraße, Perspektivische Darstellung Gasse,GWG, Ramersdorf

Die Wege und Plätze in der geplanten Siedlung für 1950 Menschen in Ramersdorf sollen nur Fußgängern und Fahrradfahrern vorbehalten sein.

(Foto: Simulation: Zillerplus / Lex-Kerfers)

Die Planung zur künftigen Siedlung an der Haldenstraße stößt bei Bürgern auf Kritik und auf Wohlwollen: Das siebengeschossige Gebäude an der Ostspitze des Quartiers ärgert die Anwohner, die Wohnqualität aber gefällt

Von Hubert Grundner, Ramersdorf

Mit zwiespältigen Gefühlen dürfte so mancher Besucher am Montagabend die jüngste Informationsveranstaltung zur künftigen Siedlung an der Haldenseestraße verlassen haben. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft GWG hatte in die Echardinger Einkehr eingeladen: Vertreter der GWG und des Planungsreferats sowie die beauftragten Architekten stellten den Masterplan und den Verfahrensstand des Bebauungsplans vor. Die zwiespältigen Gefühle rührten nun daher, dass man sich nach der Diskussionsrunde fragen musste: Wer hat denn nun recht? Christian Amlong und Gerda Peter, Sprecher der Geschäftsführung der eine, Geschäftsführerin die andere, die den rund 150 Zuhörern am Ende im Namen der GWG eindringlich versicherten, dass sie mit ihren Anregungen maßgeblich Einfluss auf die Planungen genommen hätten? Oder soll man sich auf die Seite der Kritiker schlagen? Immer wieder hatten diese betont, dass die jetzt vorgestellten städtebaulichen Pläne von dem früher gefassten Eckdatenbeschluss in wesentlichen Punkten abweichen würden. Von echter Bürgerbeteiligung wollte da so mancher Zwischenrufer nichts mehr wissen.

Doch zurück an den Beginn der Veranstaltung. Da umriss Gerda Peter nochmals die Ziele, welche die GWG bei der Sanierung der Siedlung verfolgt. So sollen neue Wohnformen für alle Lebensphasen entstehen, eine bessere Nahversorgung und soziale Infrastruktur geschaffen werden. Grün- und Freiflächen spielten bei den Überlegungen eine wichtige Rolle. Allerdings, und darin besteht eine der größten Herausforderungen bei diesem Projekt, muss der derzeitige Baubestand mit 600 Kleinstwohnungen aus den Fünfzigerjahren in Schritten abgebrochen und durch moderne Wohnungen ersetzt werden.

Nicht zuletzt deshalb wurden die Betroffenen, also die Mieter, bei allen Überlegungen von Anfang an mitgenommen, betonte Peter. Und seitdem hat sich einiges getan: So hat die GWG einen städtebaulichen und landschaftsplanerischen Planungswettbewerb ausgelobt. Das Wettbewerbsverfahren wurde im Dezember 2015 mit der Wahl einer Preisgruppe aus drei Arbeiten abgeschlossen. Im Februar 2016 hat eine Jury die Überarbeitung der Arbeiten beurteilt und den Entwurf von zillerplus Architekten und Stadtplaner mit Lex Kerfers Landschaftsarchitekten zum Sieger gekürt.

"Seit März 2016 wurde intensiv daran gearbeitet, das Wettbewerbsergebnis weiterzuentwickeln", erklärte Peter nun in der Echardinger Einkehr. Das weitere Vorgehen beinhalte Einzelgespräche mit den Mietern, den Start des Bebauungsplanverfahrens sowie eine vertiefte Planung. Baurecht erhofft sich die GWG für 2018. Die eigentliche Bauzeit der neuen Siedlung soll dann von 2019 bis 2030 dauern. Peter erklärte dies damit, dass die Sanierung der Anlage sozialverträglich erfolgen werde: Alte Gebäude werden erst abgebrochen, sobald für deren Bewohner neue Wohnungen bereitstehen. Auch Baudirektorin Ute Michel-Grömling vom Planungsreferat wiederholte die Einschätzung, dass der Stadtrat Ende 2018 den Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan fällen und damit Baurecht schaffen werde.

Als wesentliche Forderungen der Bürger, die bei den Entwürfen zur Siedlung an der Haldenseestraße eingearbeitet wurden, nannte sie unter anderem den maßvollen Übergang zu den angrenzenden Quartieren, die offene Wegführung und gute Durchgrünung der Siedlung sowie die Satteldächer. Im "Tortenstück", also dem von Krumbad-, Hechtsee- und Bad-Schachener-Straße umschlossenen Areal, sind Michel-Grömling zufolge 760 Wohnungen - für circa 1950 Menschen - vorgesehen, was für sie ein "sehr humanes Maß" der baulichen Dichte darstellt.

Gleichzeitig war damit der Punkt markiert, an dem sich an dem Abend heftiger Protest der Zuhörer entzündete. Denn, so ihre Kritik, mit der versprochenen maßvollen Nachverdichtung lasse sich das kaum noch vereinbaren. Denn ursprünglich hätte es in der Siedlung sogar zuzüglich des Riegels Bad-Schachener-Straße 44-66 nur 720 Wohnungen und circa 1800 Bewohner geben sollen. "Ist der Eckdatenbeschluss denn völlig beliebig", fragte ein Mann. Eine Frau meinte, allmählich tue es ihr leid um die Zeit, die sie in den Workshops geopfert habe, eine andere sagte: "Was uns heute vorgestellt wurde, erschreckt mich."

Wie ein Kirchturm die Blitze, so zog vor allem ein Gebäude den Zorn der Bürger auf sich: das an der Ostspitze der Siedlung geplante siebengeschossige Gebäude. Hier, gegenüber der U-Bahn-Station Michaelibad, konzentriert sich nach dem Willen der Planer der Einzelhandel. Dagegen hatte auch niemand etwas. Sehr wohl aber störten sich mehrere Redner daran, dass an der Stelle von fünf Geschossen, wie noch im Eckdatenbeschluss festgehalten, auf sieben Geschosse aufgestockt wurde. Baudirektorin Michel-Grömling verteidigte dieses Vorgehen mit dem Hinweis, "in unserem Eckdatenbeschluss ist da schon eine Öffnung drin". Konkret meinte sie damit die Formulierung: "städtebauliche Akzente sollen untersucht werden". Genau das habe man dann getan und einen solchen mit dem Siebengeschosser auch setzen wollen.

Eine befriedigende Erklärung war das für die meisten Zuhörer offenkundig trotzdem nicht. Was aber nicht hieß, dass die Planung per se abgelehnt wurde. Im Gegenteil, Architekt Michael Ziller und Landschaftsarchitektin Rita Lex-Kerfers bekamen für ihre Entwürfe auch viel Beifall. Die Durchgrünung der gesamten Wohnanlage, die Gruppierung der Baukörper zu Höfen und der Erhalt eines großen Teils des Baumbestands kamen gut an. Vor allem die Idee, das Innere der Siedlung nur für Fußgänger und Radfahrer zu gestalten, Autos aber fernzuhalten, verspricht hohe Wohnqualität. Fahrzeuge können stattdessen in Tiefgaragen unter den oberirdischen Gassen der Wohnanlage abgestellt werden. Eine Lösung für den ruhenden Verkehr, die beispielhaft bei künftigen Bauprojekten sein könnte, wie einige Lokalpolitiker im Publikum bereits befanden.

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