Ausbau des Radlrings:"Wenn es in dem Tempo weitergeht, dauert es noch 38 Jahre"

Ausbau des Radlrings: Provokante Frage am Isartor: Wo der versprochene Radlring bleibt, fragt das Bündnis, das den Autos weniger Platz einräumen will.

Provokante Frage am Isartor: Wo der versprochene Radlring bleibt, fragt das Bündnis, das den Autos weniger Platz einräumen will.

(Foto: Robert Haas)

Das Bündnis Radentscheid München kritisiert, dass auch nach drei Jahren kaum Fortschritte beim Ausbau des Radlrings zu sehen sind - von den 10,3 Kilometern wurden bislang nur 700 Meter gebaut.

Von Thomas Anlauf

Ein gelbes Fragezeichen leuchtet auf dem Asphalt des schmalen Radwegs vor dem Isartor. Davor halten zwei Dutzend Münchnerinnen und Münchner ein Transparent in die Höhe: "Wo ist unser Altstadt-Radlring?", steht darauf in gelber Schrift auf blauem Grund.

Die Frage der Menschen ist durchaus berechtigt: Auf den Tag genau vor drei Jahren startete das Bündnis Radentscheid München mit seiner Unterschriftensammlung, gut drei Monate später überreichten die Initiatoren Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) insgesamt 160 000 Unterschriften für die zwei Bürgerbegehren zum Altstadt-Radlring und zum Radentscheid München.

Die Begehren wurden kurz danach vom Stadtrat beschlossen. Doch die Ergebnisse sind bislang überschaubar. Nach drei Jahren wurden von den 10,3 Kilometern des Radlrings bislang nur 700 Meter gebaut. "Wenn es in dem Tempo weitergeht, dauert es noch 38 Jahre", kritisiert Katharina Horn, Sprecherin des Bündnisses Radentscheid.

Das Bündnis fordert nun eine schleunige Umsetzung der Stadtratsbeschlüsse. "Spätestens in sechs Monaten erwarten wir von der Verwaltung ein Gesamtkonzept mit einem nachvollziehbaren Zeitplan und einer kontinuierlichen und transparenten öffentlichen Darstellung der Umsetzung", sagte Horn am Montag im Rahmen einer Pressekonferenz am Isartor.

Bislang sind lediglich Teile des Thomas-Wimmer-Rings sowie der Blumenstraße zwischen Sendlinger Tor und Papa-Schmid-Straße als sichere Radspuren umgebaut worden. Doch die stark befahrene Sonnenstraße hat noch immer nur schmale holprige Radwege, auf denen sich Radler und Fußgänger oft gefährlich nahe kommen.

"Pragmatische Übergangslösungen": Das wird für die Frauen- und die Sonnenstraße gefordert

Auf der Frauenstraße hinter dem Isartor endet der Radweg plötzlich im Nichts. Für Thomas Häusler vom Bündnis Radentscheid ist das ein untragbarer Zustand. Besonders "die stressigen und unsicheren Abschnitte wie Frauenstraße und Sonnenstraße" müssten schnell verbessert werden, notfalls mit "pragmatischen Übergangslösungen".

Es könne nicht sein, dass "einen sechsspurige Autobahn wie die Sonnenstraße" nicht einen Fahrstreifen für Radfahrer abtreten könne, davon würden dann auch die Fußgänger profitieren. Eine Route sei nur so gut wie ihr schwächstes Glied. Viele ältere Menschen und Eltern mit Kindern würden sich mit Rädern kaum auf die Frauen- oder die Sonnenstraße trauen.

Die grün-rote Rathauskoalition zeigt Verständnis für die Kritik des Rad-Bündnisses. "Ich verstehe und teile die Ungeduld des Radentscheid-Teams", sagte die Grünen-Stadträtin Gudrun Lux am Montag. Sie sehe aber auch, dass es schon erste Erfolge gebe und dass das Mobilitätsreferat "mit großem Engagement daran arbeitet, den Altstadt-Radlring wirklich auf die Straße zu bringen". Auch im Baureferat gebe es nun ein beschleunigtes Verfahren.

Andreas Schuster, radpolitischer Sprecher der SPD/Volt-Fraktion, räumt ein, dass die Stadt "schnellstmöglich einen nachvollziehbaren Zeitplan" brauche, wann die nächsten Abschnitte des Radlrings umgebaut werden. Dennoch findet er: "Wir arbeiten aktiv an der Umsetzung des Altstadt-Radlrings und haben schon sehr vorzeigbare Ergebnisse." Die Grünen/Rosa Liste und SPD/Volt hatten im Mai 2020 in ihrem Koalitionsvertrag auch die Umsetzung der Bürgerbegehren bis 2025 festgeschrieben.

Die Fraktion ÖDP/München-Liste kritisiert die langsame Umsetzung der Pläne jedoch scharf. "Warum kommt von den unzähligen Beschlüssen zur Umsetzung des Radentscheids nur so wenig auf der Straße an? Verschläft der Oberbürgermeister die Verkehrswende oder handelt er gar aus Vorsatz?", fragt die Oppositionsfraktion.

Schiebt der Oberbürgermeister die Umsetzung auf die lange Bank? Die ÖDP sieht das so

Die ÖDP kritisiert nicht nur, dass bislang lediglich 700 Meter des Altstadt-Radlrings gebaut worden sind. Auch der Umbau der Schwanthalerstraße mit durchgängigem Radweg dauert den Stadträten zu lange. Dort endet der Radweg "immer noch mitten auf der Straße".

Sonja Haider, mobilitätspolitische Sprecherin der ÖDP-Fraktion, greift Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) direkt an: Obwohl dieser wissen müsste dass Radfahrende "einen wertvollen Beitrag zur Mobilitätswende leisten und er für ihre Sicherheit verantwortlich ist, schiebt er die Umsetzung der Beschlüsse auf die lange Bank".

Das Bündnis Radentscheid München, das sich aus einem Trägerkreis des Fahrradclubs ADFC, Grünen, Bund Naturschutz, Linke, Green City und ÖDP zusammensetzt, fordert deshalb nun, dass die Stadt bis spätestens Herbst ein Gesamtkonzept für den Altstadt-Radlring vorlegt und transparent darstellt.

Insbesondere für schwierige Abschnitte wie Frauen- und Sonnenstraße müssten bis spätestens 2023 zumindest Übergangslösungen für Radler gefunden werden, um den Ringschluss möglichst bis 2025 zu schaffen.

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