Man kann von Helmut Markwort halten, was man will. Aber wie er da mit seinen achtundachtzigeinhalb Jahren im federleichten Sommerfrische-Outfit über die Bühne geht, eine halbe Stunde lang ohne den Anflug eines Verhasplers Anekdote an Anekdote reiht, ein paar eherne Regeln seines Berufs des Journalisten in Stein meißelt („neugierig bleiben“, „zur Arbeit gehen, auch wenn keiner ruft“, „wer samstags nicht arbeiten will, braucht sonntags gar nicht mehr kommen“) und es auch noch schafft, den Glauben an das Schnelle und Gute im Radio zu vermitteln. All das nötigt einem Respekt ab.
Wer in diesem Alter noch über derart bewegliche Synapsen verfügt, muss etwas richtig gemacht haben. So wie an diesem Dienstagabend auch niemand im Saal daran zweifelt, dass die Idee mit dem privaten Stadt-Radio damals keine so ganz schlechte Idee war. Denn: Ohne Helmut Markwort hätte es weder Radio Gong 96.3 noch diese 40-Jahr-Feier im GOP-Theater gegeben.


Am 24. Mai 1985 ist Deutschlands erster Privatsender on air gegangen, ein Tag, an den sich der langjährige Geschäftsführer Georg Dingler erinnert, als wäre es gestern gewesen: „Ich hab‘ ständig gefragt ‚Kann man uns wirklich hören?‘ Wir waren das gallische Dorf gegen den BR, hatten immer Lust zu arbeiten. Man musste uns bremsen.“
Vor zwei Jahren hat Dingler an selber Stelle mit einem gewohnt rauschenden Fest Abschied gefeiert, nachdem er Ende 2020 den Geschäftsführerposten an Johannes Ott übergeben hatte, nach 35 Jahren. Logisch, dass man so einen bremsen muss, sobald er ein Mikro in der Hand und ein Publikum vor der Nase hat. Diesen unmöglichen Job haben sie der Volontärin Ricarda Janson zugeschustert – ein charmanter Schachzug.
Denn sowohl der gesprächige Markwort als auch die Mensch gewordene Schoten-Schleuder Dingler reißen sich am Riemen, schauen lieber nach vorn (Dingler: „KI ersetzt kein Programm. Wir dürfen das Radio nicht ausbluten und tot sparen lassen.“) als in den Rückspiegel und geben nur ein paar Klassiker von früher zum Besten. Zum Beispiel die Geschichte vom Sportreporter Markwort. Der Bayern-Fan berichtete einmal live aus dem Olympiastadion, unter dem Pseudonym Moritz Roda, das Markwort so erklärt: „Moritz, weil mein Sohn so heißt, und Roda, weil ich da damals den Einmarsch der Amerikaner erlebt habe.“
„Wir haben alles falsch gemacht, das aber mit großer Begeisterung“
Natürlich muss er von den Anfängen erzählen, den ersten Sendungen aus einem ehemaligen Glasladen in Schwabing, wo sie über den Sender mal Taxifahrer zum Frühstück einluden, was zu einem veritablen Verkehrschaos in der Nordendstraße führte, weil gleich ein paar Hundert Taxler den richtigen Sender gehört hatten. „Wir haben alles falsch gemacht, das aber mit großer Begeisterung“, erzählt der Gong-Vater, „die größte Leistung war sicher, dass wir den Sender durchhörbar gemacht haben.“
Die Moderatoren seien damals mit den Lieblings-Schallplatten unter dem Arm ins Studio marschiert, erinnert sich Dingler: „Wenn da einem gerade die Freundin abgehauen war, hast du schon gewusst, was kommt. Aber wenn er ein paar Wochen später eine Neue hatte, lief wieder Gute-Laune-Musik.“ Dank Frank Elstner hatte man Kontakt zu Radio Tele Luxemburg, wo ein Teenager namens Anke Engelke für Furore sorgte. „Die ließen wir einmal pro Woche einfliegen“, erzählt Markwort, „allerdings wusste niemand, dass ihr Onkel bei der Lufthansa war und uns das fast nichts gekostet hat.“
Auch die local heroes Michael „Bully“ Herbig und Kumpel Rick Kavanian wurden in den 90ern schnell zu Kult. „Bully war gerade an der Filmhochschule abgelehnt worden“, erinnert sich Dingler, „und besprach mit Rick Anrufbeantworter, imitierte Boris Becker, Beckenbauer und Reich-Ranicki. Ich hab‘ Sie eine Woche ins Studio gesperrt und ein Programm entwerfen lassen.“ Heraus kam eine Morning-Show mit Legenden-Status.
Apropos Morning: Logisch, dass es für diese Jubiläums-Show nur einen Moderatoren geben kann, nämlich Mike Thiel, seit Mitte der 90er die Stimme des Senders, die den Münchnern morgens aus den Federn hilft. Nun darf er die Verleihung des Gong-Awards für das Lebenswerk ankündigen, dessen Preisträger nur Helmut Markwort sein kann. Überreicht bekommt er die Auszeichnung in Form eines Mikros von jemandem, der früher donnerstagabends das Sorgen-Telefon betreute: Patricia Riekel. Und um den Kreis zu schließen, tritt vor den 300 Gästen (darunter Leslie Mandoki, Ralph Siegel, Heiner Lauterbach und Otto Retzer) 40 Jahre nach Günther Sigls Spider-Murphy-Hits die aktuelle Nr. 1 der Charts auf: der Oimara mit seinem „Wackelkontakt“. Auch davon kann man halten, was man will, aber auf dem Handy hat das nun jeder der Gala-Gäste.