Süddeutsche Zeitung

Radfahren in München:Stadt der Speichen

Radfahrer machen bald ein Viertel des Münchner Verkehrs aus. Die Folgen für Fußgänger und Autofahrer sind umstritten. Denn nach den Plänen der Stadt werden Fahrspuren und Parkplätze wegfallen.

Marco Völklein und Thomas Anlauf

Auf Münchens Straßen sind immer mehr Radler unterwegs. Das merkt man beim Fahren durch die Stadt. Das belegt nun aber auch die Stadtverwaltung mit einer Studie, die am Dienstag im Stadtrat behandelt wird. Demnach stieg der Anteil der Radler am Gesamtverkehr von zehn Prozent im Jahr 2002 auf mittlerweile 17,4 Prozent. 2008 lag der Wert bei 14 Prozent. Die rot-grüne Stadtspitze will den Anteil weiter steigern, bis 2021 sei ein Anteil von 25 Prozent denkbar, heißt es aus dem Kreisverwaltungsreferat. Die Stadtspitze plant nun zum einen, das Radwegenetz weiter auszubauen. Zum anderen will sie die "Radlhauptstadt-Kampagne" fortsetzen.

Der Dritte Bürgermeister Hep Monatzeder (Grüne) kündigte im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung an, die Stadt werde verstärkt Radfahrerstreifen anlegen. Beispielhaft für den Ausbau des Radnetzes ist der Plan der Stadt, den südlichen Abschnitt der Schleißheimer Straße umzubauen: Radler erhalten dort künftig durchgehend von der Maßmannstraße bis zur Elisabethstraße einen "Schutzstreifen", der durch eine gestrichelte Linie vom Autoverkehr abgetrennt ist.

Zudem will das Baureferat in einzelnen Abschnitten der Straße Bäume pflanzen - es erfüllt damit Anwohnern wie Stadtviertelpolitikern einen lange gehegten Wunsch. Jedoch wird das 900.000 Euro teure Projekt voraussichtlich erst 2013 umgesetzt; nur erste Markierungsarbeiten für die Radler-Schutzstreifen will man im kommenden Jahr angehen.

Um mehr Platz für Bäume und Radler zu schaffen, werden im Gegenzug Parkplätze wegfallen. Zudem nimmt die Stadt im Abschnitt zwischen Elisabethstraße und Wormser Straße (also im Bereich vor dem Karstadt) den Autofahrern künftig jeweils eine Fahrspur weg. Ähnliches plant die Stadt laut Monatzeder an anderen Stellen - etwa in der Lindwurmstraße, wo ebenfalls Parkplätze und/oder Fahrspuren wegfallen könnten.

Neben solch größeren Umbaumaßnahmen setzt Monatzeder vor allem auf "günstigere und mit geringem Aufwand verbundene Maßnahmen" - also unter anderem die Markierung von Radlerstreifen. Diese wurden zuletzt in der Wendl-Dietrich-Straße in Neuhausen und in der Baumkirchner Straße sowie der Weihenstephaner Straße in Berg am Laim auf den Asphalt gepinselt. Im kommenden Jahr will die Stadt laut Kreisverwaltungsreferat die Markierer unter anderem in die Riemer Straße in Daglfing sowie in die Baierbrunner Straße in Obersendling schicken.

Einen Großumbau plant die Stadt indes für die Nord-Süd-Querung der Innenstadt zwischen Odeonsplatz und Rindermarkt. Aktuell ist geplant, den Radverkehr in dem Bereich auf einem deutlich markierten Streifen durch den Abschnitt zu führen, "der auch für Touristen eindeutig zu erkennen ist", so Monatzeder. Eine "Shared-Space"-Zone, also eine gemischte Zone, in der Radler und Fußgänger gleichberechtigt unterwegs sind und aufeinander Rücksicht nehmen sollen, wird es laut Monatzeder nicht geben.

Offen ist noch, ob der Autoverkehr - zumindest zu einem gewissen Teil - aus der Dienerstraße verbannt wird. In der Sparkassenstraße sollten sich Autofahrer indes auf Einschränkungen gefasst machen - denn diese Strecke ist als "Entlastungs-Trasse" für schnelle Radler gedacht. Um dort Platz für Velofahrer zu haben, werden wohl Parkplätze wegfallen.

Es gibt allerdings auch Kritik an Teilen des Radkonzepts: Die Verkehrssituation in der Rosenheimer Straße etwa sei trotz des neuen Radstreifens "nach wie vor ungenügend", kritisiert ausgerechnet Monatzeders Parteifreund Werner Walter: "Man muss sich schon einmal fragen: Wie kurz greift eigentlich das Radwegekonzept", meint der stellvertretende Vorsitzende im Bezirksausschuss Haidhausen. Die Radspur wird nämlich trotz Markierung häufig von Lkw-Fahrern zugeparkt - da es trotz vieler Geschäfte keine Ladezonen gibt.

Für Streit im Rathaus dürfte am Dienstag auch der Plan der Stadt sorgen, ihre "Radlhauptstadt"-Kampagne fortzuführen. So soll es auch in den nächsten Jahren eine "Radlnacht" geben, im Sommer werden wieder Mechanikerteams auf zentralen Plätzen Sicherheitschecks anbieten, neu sind spezielle "Winterchecks".

Zudem wollen die Kampagnenmacher künftig die Bezirksausschüsse für Aktionen in den Stadtvierteln gewinnen und Menschen, die neu nach München ziehen, zu speziellen Neubürgertouren einladen. Der umstrittene "Radljoker" wird - zur Erleichterung der Oppositionsparteien - nicht wiederbelebt.

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Quelle:
SZ vom 19.11.2011/sonn
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