Süddeutsche Zeitung

Verkehrswende:Ladesäulen-Anbieter verklagt die Stadt

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Trotz wachsender Anzahl E-Autos fehlt es in der Stadt an Lade-Stationen. Weil die Firma Qwello keine Genehmigung zum Aufstellen der Säulen bekommt, zieht sie vor Gericht.

Von Andreas Schubert

Die Zahl der Elektroautos ist in jüngster Zeit deutlich gewachsen. In In München waren Mitte Dezember 2022 rund 77 000 Autos mit E-Antrieb, Plug-in-Hybride eingeschlossen, gemeldet, inzwischen dürften es noch mehr sein. Um die wachsende elektrische Flotte am Laufen zu halten, braucht es immer mehr Ladesäulen.

In München gibt es davon derzeit rund 1500, die meisten davon werden von den Stadtwerken München betrieben. Das sind viel zu wenige, findet Henrik Thiele, Chef der Firma Qwello, die ebenfalls gerne in München Ladesäulen aufstellen würde. Nur: Die Stadt, genauer das Referat für Klima- und Umweltschutz (RKU), lässt sie nicht - und das, obwohl Qwello die Säulen kostenlos aufstellen würde und die ausgesuchten Standorte dem eigenen Bekunden nach geeignet wären.

Jetzt will Qwello sich das Recht erstreiten, 1677 Ladesäulen aufstellen zu dürfen und hat am Verwaltungsgericht Klage eingereicht. Denn die Verweigerung der Münchner Verwaltung hält das Unternehmen für rechtswidrig. Die Stadt würde gerne einem einzigen Anbieter das Feld überlassen und hat 2020 deshalb eine Ausschreibung für den Bau von 2700 Ladesäulen gestartet, die immer noch nicht beendet ist. Qwello hatte der Stadt erst im Juni 2022 ein Angebot unterbreitet und das Aufstellen von Säulen beantragt. Das, so teilte dann die Berliner Anwaltskanzlei BBH mit, die das RKU vertritt, stehe im "direkten Widerspruch zu der noch laufenden Ausschreibung".

Unter anderem beruft sich BBH auf ein fast 23 Jahre altes Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Nordrhein-Westfalen zur Sondernutzung öffentlicher Straßen, nachdem das Einräumen exklusiver Rechte nicht ungewöhnlich und "höchstrichterlich anerkannt" sei. Das aber lässt der Münchner Anwalt Benno Ziegler, Rechtsbeistand von Qwello, nicht gelten. Dasselbe Gericht, so erläuterte er am Freitag bei einer Presserunde, habe seine Rechtsprechung 2021 geändert. In der Tat urteilte das OVG, dass es an dem Urteil aus dem Jahr 2000 "angesichts der seitdem in der Rechtsprechung fortentwickelten Grundsätze zur straßenrechtlichen Sondernutzung nicht mehr festhält".

Angeblich könnten jährlich 4000 Tonnen CO₂ eingespart werden

Dieses Urteil vom 28. Mai 2021 - ist online unter dem Aktenzeichen 11 A 390/19 einfach zu finden. Die Kanzlei BBH berufe sich dennoch auf eine Rechtsprechung, "die es heute nicht mehr gibt und in Bayern nie gab", sagt Ziegler. Gewissheit bezieht er auch aus einem Rechtsgutachten der Universität Bayreuth, laut dem Qwello einen Anspruch auf die Genehmigung habe. "Wegen des rein verkehrsrechtlichen Charakters des Straßen- und Wegerechts dürfen wettbewerbsrechtliche Gesichtspunkten bei einer ermessensfehlerfreien Vergabeentscheidung über die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis keine Rolle spielen", heißt es in dem Gutachten.

Sprich: Auch trotz der Ausschreibung könnte Qwello seine Säulen aufstellen. Nach eigenen Angaben entgehen dem Unternehmen durch die verweigerte Genehmigung jährliche Einnahmen von mehr als 800 000 Euro, zudem könnten durch eine bessere Ladeinfrastruktur jährlich 4000 Tonnen CO₂ eingespart werden.

Unterstützung erhält Qwello von der Münchner CSU. Die Stadtratsfraktion hat im vergangenen August beantragt, privaten Unternehmen, die keine Zuschüsse fordern, das Aufstellen zu erlauben. Eine Antwort gebe es bisher nicht, kritisiert CSU-Stadtrat Andreas Babor, Mitinitiator des Antrags. Damit sei erst im Mai zu rechnen. "Das ist beschämend für die Landeshauptstadt", findet er. Das RKU teilt zu dem Fall mit, man werde die Klage und das Rechtsgutachten aus Bayreuth prüfen. Aktuell verweist die Behörde aber noch auf die einst erfolgte gerichtliche Anerkennung von exklusiven Vergaben. Ein Exklusivrecht vermeide insbesondere Nutzungskonflikte im begrenzten öffentlichen Raum im Bereich Ladeinfrastruktur. Dass die Ausschreibung so lange daure, liege an deren Komplexität.

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