Süddeutsche Zeitung

Quidditch-Turnier:"Niemals den Besen verlassen"

18 Mannschaften aus ganz Deutschland messen sich bei den Quidditch-Winterspielen in München. Nur: Die Spieler können nun mal nicht fliegen.

Von Heiner Effern

Manchmal wünschen sich die jungen Frauen und Männer vielleicht doch im Geheimen, ein bisschen zaubern zu können. Wenn sie zum Beispiel mit der einen Hand einen Stock zwischen ihre Beine klemmen und mit der anderen versuchen, einen Volleyball zu fangen. Immer damit rechnend, dass sie gleich ein Gegenspieler, ebenfalls mit einem Stock zwischen den Beinen, rammt und zu Boden reißt.

Die Münchner Wolpertinger mit ihrer Jägerin Appoline Tabourot, 24, müssen da gerade einen ganz in schwarz gekleideten Mann mit der Nummer 23 auf dem Rücken fürchten. Der beißt nach einem brachialen Zusammenstoß bei null Grad und pfeifendem Wind noch kurz in den Schnee am Spielfeldrand, bevor er sich mit dem Stock zwischen den Beinen sein nächstes Opfer sucht.

Es geht also durchaus martialisch zu an diesem Wochenende auf den Kunstrasenfeldern des ESV München. Wenn auch nicht lebensgefährlich gespielt wird wie bei Harry Potter selbst, dem Paten eines ungewöhnlichen Sports. 18 Mannschaften aus ganz Deutschland messen sich im Quidditch, einem Spiel, das die Roman-Autorin Joanne K. Rowling ebenso erfunden hat wie die gesamte Fantasiewelt rund um die Zaubererschule in Hogwarts. Für dieses Spiel im Original gibt es allerdings eine Grundvoraussetzung, an deren Umsetzung es hapert: Die Teilnehmer müssten auf Besen fliegen können, da das Spielfeld eigentlich über dem Boden liegt.

Wichtig ist ihnen: Das hier ist ein richtiger Sport

Die Quidditch-Spieler der Münchner Wolpertinger laufen wie ihre Gegner stattdessen über das gefrorene Spielfeld, mit Stöcken zwischen den Beinen, die den Besen simulieren und auch so heißen. "Niemals den Besen verlassen" sei eine der wichtigsten Regeln, sagt Appoline Tabourot. Im Übrigen stelle das Menschen-Quidditch eine Mischung aus Handball, Völkerball und Rugby dar, bei der es im wesentlichen darum geht, einen Volleyball durch drei Ringe der gegnerischen Mannschaft zu werfen, die jeweils am Ende eines Spielfelds an Stangen befestigt sind. Wie bei Harry Potter gebe es die Positionen der Jäger, der Sucher, der Treiber und der Hüter. "Das ist ein richtiger Sport und soll auch als solcher betrachtet werden. Der reine Potter-Fan kommt in dieser Quidditch-Welt nicht weit", sagt Jägerin Tabourot.

Um den Ruf der Nerds abzustreifen, die ein Fantasy-Spiel betreiben, für das sie sich eine etwa ein Meter lange Plastikstange zwischen die Beine halten, müssen die Quidditch-Spieler noch einiges tun, das weiß Tabourot. Sie kennt die lustigen Fragen zur Genüge, warum sie denn keine Umhänge tragen beim Spiel wie der smarte Harry, sondern Fußballschuhe und Sport-Shirts. Sie dürfte es als wahrer Potter-Fan aber weniger treffen als die Mitspieler, die mit Fantasy-Büchern gar nichts am Hut haben. "Etwa die Hälfte mag Harry Potter", sagt Tabourot über ihre Mannschaft.

Als einer ihrer Teamkollegen das Spielfeld nach der Niederlage gegen die bissigen Tübinger verlässt, trifft er auf seine Eltern. "Habt ihr noch Fragen?", sagt er. "Oh, ziemlich viele", sagt die Mutter. Das liegt an einem weiteren Handicap des Muggel-Quidditch, wie es Autorin Rowling vielleicht nennen würde. Denn die in die Realität übertragenen Regeln sind so kompliziert, das sie einen halben Potter-Band füllen. "Nach dem zweiten Training hat man das Wichtigste aber schon verstanden", sagt Tabourot.

Dann weiß man auch, dass gegen Ende jedes Spiels ein ganz in gelb gekleideter Mann das Feld betritt, der hinten in der Hose einen Strumpf stecken hat, in dem sich ein Tennisball befindet. Das ist der Schnatz, dem man dem gelben Mann aus der Hose ziehen muss, um das Spiel zu beenden. Dumm nur, dass dieser keinen Besen benötigt, weil er im Roman auch so fliegen kann. Also weicht der ausdauernd elegant dem einhändig angreifenden Spieler mit einem Stock zwischen den Beinen aus. Sieht dieses Ringen, wie das gesamte Spiel, nicht manchmal blöd aus? "Tut es", sagt Turnierdirektor Jakob Lenz. "Das sagst du aber nur so lange, bis dein Gesicht im Matsch steckt." Wer am erfolgreichsten gekämpft hat, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.

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SZ vom 16.01.2017/ebri
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