Süddeutsche Zeitung

Kultur:Der Quatsch Comedy Club kommt ins Werksviertel

Thomas Hermanns bringt den Quatsch Comedy Club nun auch nach München - als Untermieter in der Nachtkantine.

Interview von Oliver Hochkeppel

Thomas Hermanns, vor 56 Jahren in Bochum geboren, in Nürnberg aufgewachsen, dann Studium in München und Umzug nach Berlin, ist der Doge der deutschen Comedy. 1992 führte er die Stand-up-Mixed-Show nach amerikanischem Muster als "Quatsch Comedy Club" am Hamburger Schauspielhaus in Deutschland ein. Parallel im Fernsehen - erst Premiere, dann Pro7, jetzt Sky - wie live in Clubs baute Hermanns mit seiner Firma "Serious Fun" das Format zur Marke aus, die in Hamburg, Berlin, Stuttgart und Düsseldorf eigene Bühnen betreibt. Jetzt kommt München als fünfte Quatsch-Comedy-Stadt dazu: Als Untermieter in der Nachtkantine im Werksviertel werden - nach der für geladene Gäste vorbehaltenen Premiere - von dieser Woche an freitags und samstags jeweils vier Künstler plus Moderator für Frohsinn sorgen.

SZ: Kennen sie die Mixed-Shows "Blickpunkt Spott" und "Schwabinger Schaumschläger" im Vereinsheim?

Thomas Hermanns: Nicht im Detail, und ich selbst war noch nie dabei, aber wir haben zum Vereinsheim und Lustspielhaus langjährige Kontakte und mitgekriegt, dass sich da fröhlich etwas entwickelt. Das hat auch dazu beigetragen, dass wir jetzt hier sind: Weil wir das Gefühl hatten, dass Stand-up in München in den vergangenen Jahren einen neuen Schwung gekriegt hat. Da dachten wir, wir können ja mal den Klassiker ins Rennen schicken.

Sie brechen damit also ins Kleinkunstimperium von Till Hofmann ein ...

... oh, okay. Also wie früher der Corny Littmann in Hamburg ...

Haben Sie schon mit ihm gesprochen?

Ich hab' dem Till Hofmann das schon ganz früh erzählt. Das machen wir immer sofort, weil wir sagen: Das ist keine Konkurrenz, das belebt sich gegenseitig. Er hat das begrüßt und uns sogar Tipps gegeben, was Locations wie Personal angeht. Das zeigt auch, dass sich seine Sachen und unsere nicht beißen.

Also keine Konkurrenz, sondern ein Miteinander?

Aber ja, beides ist auch total anders gelagert. Genau das ist ja so erfreulich, dass inzwischen in allen Großstädten unglaublich viele Stand-up-Formate existieren. In Berlin haben wir neben zwei Häusern, die das ausschließlich machen, unendlich viele freie Bühnen, Open Mikes oder Poetry Slams, wo sie wie in New York, Los Angeles oder London üben und testen, bis sie überhaupt bei uns ankommen. Jedes Haus macht im Grunde einen eigenen Stil. Wir mischen immer neue Leute mit gestandenen Comedians und bieten die ganze Breite. Insofern ist es für alle gerade ein gutes Zeichen, wenn eine Stadt für mehrere Comedy-Bühnen Platz hat, dann zeigt das, dass die Szene stark ist und sich gegenseitig befruchten kann.

Warum eigentlich München und nicht etwa Nürnberg, ihrer Heimatstadt?

Nürnberg ist auch gut, da tut sich auch viel. Die Franken galten ja lange als unlustig, aber mittlerweile haben wir auch viele fränkische Comedians in unseren Shows. Ich sage: Im Grunde kann jede Stadt ab 500 000 Einwohnern einen "Quatsch Comedy Club" vertragen. Aber wir hatten schon das Gefühl, dass sich gerade in München besonders viel entwickelt hat. Wir haben oft mit Michael Mittermaier gesprochen, der ja hier alles kennt, und der sagte auch: Irgendwas ist los, die wollen jetzt hier Stand-up haben.

Was hat Sie in die Nachtkantine geführt?

Das Werksviertel hat uns grundsätzlich begeistert, weil es mit das Modernste ist, was ich seit Langem gesehen habe. Und da tu ich Berlin mit rein. Die Vision für das Gelände finde ich spektakulär und für deutsche Verhältnisse richtig schön groß gedacht. Das war der letzte Grund, hier tätig zu werden: Wir saßen oben bei den Schafen auf der Hütte, haben auf die Berge und aufs Riesenrad geguckt und uns gesagt, das ist so irrsinnig, da wollen wir uns gerne dazugesellen. Und der Raum, die Nachtkantine: Wir wissen ja, dass hier seit den Kunstpark-Zeiten viele Leute viel erlebt haben. Die Geister des Raumes, die sind für Comedy auch wichtig.

Gehen die Künstler dann bei ihnen auf eine Art Städte-Tour?

Leider nein. Wir spielen ja nicht am Stück wie im Varieté, etwa dem GOP, sondern machen jede Woche eine neue Show, die kommt nicht aus einer anderen Stadt, sondern ist für München maßgeschneidert. Wir wollen immer Locals oder Talente von hier mit reinnehmen. Das ist komplex und für unser Büro richtig anstrengend. Unser größter Albtraum ist, dass jemand mal vor einem Club in der falschen Stadt steht, weil er den Vertrag nicht richtig gelesen hat.

Maßgeschneidert wird auch, weil der Humor in jeder Stadt ein anderer ist?

Glaubt man, ist aber nicht so. Das Erstaunliche ist, dass in der Stand-up bestimmte Themen weltweit gleichzeitig aufkommen, behandelt werden und funktionieren. Auch die Trends sind global, etwa dass es jetzt wieder mehr Frauen in der Szene gibt. Worüber die sprechen, ist ebenfalls nahezu weltweit ähnlich. Außerdem stellen wir die Künstler eines Abends ja nicht nur nach Herkunft oder Dialekt zusammen, sondern nach Temperatur. Also einer ist aggressiver, die andere hat ihr besonderes Thema. Nur der Moderator hat immer die Aufgabe, die lokalen Sachen herauszuarbeiten.

Sie haben hier in München Theaterwissenschaft studiert und abgeschlossen. Hat dieses Studium für Ihre Comedy-Karriere eher geholfen oder geschadet?

Total geholfen. Nicht mit dem Stil, den ich hier gelernt habe, also dem deutschen Regietheater-Stil. Aber das Wissen über die Komödie und den Wert der Komödie von Molière bis Shakespeare, das habe ich da gelernt. Dass "Der eingebildete Kranke" genauso wichtig und gleichberechtigt ist wie "Die Räuber".

Werden Sie denn in München auch mal selbst den Host geben?

Nein. Live mache ich es auch in Berlin schon seit Jahren nicht mehr. Es war an der Zeit, die jungen Moderatoren ranzulassen und nicht als Mutti so lange zu spielen, bis man von der Bühne gefegt wird. Ausnahme wäre ein Jubiläum. Oder ein großes Special mit Musik. Da käme ich dann noch mal in die Gänge.

"Quatsch Comedy Club" München, freitags und samstags ab dem 17. Januar, Nachtkantine auf dem Werksgelände, Grafinger Straße 6

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Quelle:
SZ vom 16.01.2020/vewo
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