Quads und Mini-Autos:Hab' Spaß, gib Gas

Jetzt dürfen 16-Jährige Quadricycles und Miniautos fahren - Experten sind besorgt.

Von Jenny Hoch

Die richtig bösen Maschinen haben Gesichter wie Monster, Scheinwerfer wie leuchtende Augen und Frontverkleidungen wie Comic-Fratzen. "Der da gehört in die Kategorie klein und gemein", sagt Christian Kopp und zeigt auf ein schwarzes Vehikel, das auf den Namen Banshee hört.

Tatsächlich sieht es aus wie ein fahrbarer Rasenmäher mit zu groß geratenen Reifen und Motorrad-Lenker. In Christian Kopps Quad- und Motorrad-Geschäft "Team Diel" steht der fiese Banshee-Quad ordentlich aufgereiht neben anderen Quads: martialische Batmobile und bullige Nutzfahrzeuge.

Mit Vespa-Fahren hat das nichts zu tun. Das ist nicht wie früher, als hübsche Mädchen, die gebräunten Beine parallel auf dem schmalen Trittbrett angeordnet, zum Starnberger See düsten. Oder wie im letzten Sommer, als adrette Jungs mit Retro-Rollern zum Biergarten knatterten. Heute ist alles ganz anders, und Quad-Fahren geht so: breitbeinig aufsitzen, den Lenker fest anpacken und rambogleich durchs Schneegestöber brettern.

Falls man sich traut, kann man bremsen und weiterschlittern oder Gas geben und im Kreis herum driften. Das soll ganz easy sein mit diesem komischen Gefährt - und cool natürlich, Christian Kopp führt es vor. Falls man sich solche Stunts nicht zutraut, zuckelt man bei einer Testfahrt in Hohenbrunn bei München eben in Schlangenlinien die vereiste Fahrbahn entlang. Semmeln holen um die Ecke wäre gerade noch drin, die könnte man prima auf der breiten Rückfläche festschnallen und zurücksausen.

Das heißt: Schneller als 45 Stundenkilometer fährt das Test-Quad gar nicht. Darf es auch nicht, denn mit der Einführung der neuen Führerscheinklasse S dürfen Jugendliche schon von 16 Jahren an damit fahren. Im Februar tritt diese Neuregelung auf Druck der Europäischen Union in Kraft. Jugendliche dürfen dann neben Quads und Trikes (Gefährte mit nur drei Rädern) auch so genannte Miniautos im Straßenverkehr benutzen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Fahrzeuge nicht schneller als 45 Stundenkilometer fahren, nicht mehr als 50 Kubikzentimeter Hubraum haben und weniger als 350 Kilo wiegen.

Quad steht für Quadricycle, es handelt sich also um vierrädrige Motorräder, die immer öfter auf Deutschlands Straßen zu sehen sind. Es gibt sie als Sportfahrzeuge mit wesentlich mehr als 50 Kubikzentimetern Hubraum, mit Straßenzulassung oder als so genannte ATVs (All-Terrain-Vehicles). Das sind Arbeitsgeräte, die mit Schneeschaufeln, Rasenmähern oder Seilwinden ausgestattet werden können. Laut Kraftfahrt-Bundesamt hat sich der Bestand von Quads und Trikes in den letzten vier Jahren von 743 auf 23317 verdreißigfacht.

Sogar die Supermarkt-Kette "Plus" hat sie im Angebot, "Lieferung frei Bordsteinkante" inklusive. Da scheint es nicht übertrieben, von einem Boom zu sprechen. Ralf Wilke, Chefredakteur des Fanmagazins Quadwelt, will darin sogar einen langfristigen Trend erkennen: "Quads sind so vielseitig, die bleiben angesagt."

Kritiker der Spaßmobile sehen diese Entwicklung mit Besorgnis. ADAC-Experten monieren große Sicherheitsprobleme: "Ein Quad hat keine Knautschzone, und es stimmt einfach nicht, dass es wie ein Brett auf der Straße liegt", sagt Christian Döhler, Verkehrsjurist beim ADAC, "im Gegenteil, es ist sehr kippelig."

Noch schlimmer sei es mit den Miniautos, die ebenfalls nur S-Führerschein-pflichtig sein werden: "Von weitem ist nicht zu erkennen, dass ein solches Gefährt so langsam ist", sagt der Jurist, "es drohen Auffahrunfälle." Außerdem schnitten Minimobile beim ADAC-Crashtest im Herbst sehr schlecht ab: Im Gegensatz zu einem Renault Twingo zerfiel das Leichtmobil der Marke JDM Albizia beim Frontalzusammenstoß in seine Einzelteile.

Die Fahrgastzelle wurde total demoliert und der Benzintank auf die Straße geschleudert. Fazit der Ingenieure: "Ein so unsicheres Gefährt wie diese Minikiste haben wir in den letzten Jahren nicht mehr auf der Piste gehabt."

Billig sind die Spaßmobile ebenfalls nicht. Der getestete JDM Albizia kostet mit 11820 Euro deutlich mehr als ein Twingo mit 9050 Euro. Und ein Yamaha Grizzly-Quad mit 660 Kubikzentimetern Hubraum kostet gar 14000 Euro. Den kleinen, für Jugendliche erlaubten, gibt es für immerhin 2500 Euro. "Irgendein väterlicher Sponsor findet sich immer, der seinem quengelnden Nachwuchs so ein Gefährt kauft", sagt Christian Kopp vom Quad-Fachgeschäft in Hohenbrunn.

Er verkauft etwa 100 Quads im Jahr und stimmt der Kritik an der mangelnden Sicherheit nur zum Teil zu: "Alle gehen immer von der S-Klasse als Sicherheitsstandard aus, aber ein Quad ist damit einfach nicht vergleichbar." Allerdings, räumt der 38-Jährige ein, müsse man sich an die Fahreigenschaften des bulligen Vierrad-Gefährts gewöhnen. Deshalb gehe er mit unsicheren Kunden erst einmal zum Üben ins Gelände.

Auch empfehle er, beim Fahren unbedingt Motorrad-Schutzkleidung zu tragen. "Im Sommer haben acht Jungs hier ihre 350er Quads abgeholt. Die kamen in Badelatschen und kurzen Hosen, das geht einfach nicht", sagt Kopp.

Die Helmpflicht, die demnächst für das Fahren von Quads eingeführt werden soll, findet Christian Kopp sinnvoll: Es trügen sogar viele Radfahrer freiwillig Helme, beim Quad-Fahren solle das selbstverständlich sein. Der ADAC appelliert an Eltern und Jugendliche: "Schauen Sie sich die Testergebnisse bitte genau an, bevor Sie endgültig entscheiden." Der Chefredakteur von Quadwelt, Ralf Wilke, drückt es direkter aus: "Es sind ja hoffentlich nicht alle bekloppt, die so ein Ding fahren."

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