Puppenatelier Rebele:Leichen sind sein Leben

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Aufgedunsene Wasserleichen, verstümmelte Brandopfer und verrottete Skelette - Robert Rebele schreckt vor keiner Leiche zurück. Er ist nämlich Puppenmacher.

Anna Fischhaber

Das Leben von Robert Rebele pflastern Leichen aller Art: Mit verwesten Toten aus dem Moor, aufgedunsenen Wasserleichen, verstümmelten Brandopfern und verrotteten Skeletten verdient der Münchner sein Geld. Wenn Doktor Daniel Koch alias der Schauspieler Hannes Jaenicke nach erfolgreicher Schnippelei auf dem Seziertisch dem Publikum der Krimiserie "Post Mortem" mitteilt "Kugeleintritt linker Unterbauch, Austritt Kreuzbein", ist das in erster Linie der Verdienst von Rebele.

Täuschend echt sehen die Leichen aus, die Robert Rebele, 39, mit Liebe zum Detail bastelt. (Foto: Foto: Rumpf)

Seine Leichen sehen zwar aus wie Menschen und fühlen sich auch so an, doch sie sind allesamt Attrappen aus Silikon, Latex, Schaumstoff und Farbe. Ein ungewöhnliches Metier für jemanden, der seine Karriere mit Marionettenpuppen begonnen hat. Seine Liebe zu den Untoten entdeckte der 39-Jährige ausgerechnet bei einem Sommerfest der Kirchengemeinde. Bald verbringt der damals 13-Jährige seine komplette Freizeit bei der Augsburger Puppenkiste und bringt sich selbst das Marionetten schnitzen bei.

Mit 21 macht sich Rebele selbstständig, schnell kommt er zum Fernsehen - und beginnt dort mit neuen Materialien zu experimentieren. Bald wird der Münchner zum Fachmann für die Alten, Kranken und Übergewichtigen. Heiner Lauterbach verhilft er in "Rossini" zu blutenden Händen. Er stellt Prothesen aus Latex und Gelatine her und lässt Hollywoodgrößen wie Stellan Skarsgård (Piraten der Karibik, Good Will Hunting) in Szabós "Taking Sides - Der Fall Furtwängler" mit künstlichen Tränensäcken altern.

Friedhof der Kuscheltiere statt Leichenschauhaus

Nebenbei bastelt er weiter Puppen - einige fürs Marionettentheater, andere für Kinderserien und manche nur für sich selbst. Vielleicht deshalb erinnert Rebeles riesiges Kelleratelier am Harras eher an einen Friedhof der Kuscheltiere denn an ein Leichenschauhaus. Hunderte flauschige Klappmaulpuppen mit treuherzigen Augen versetzen einen in die Kindheit zurück. Zahlreiche futuristische Latex-Puppen wohnen hier, zumeist Außerirdische, die sich wie Haushaltshandschuhe anfühlen und beweglich wie eine Matratze sind.

An einer Wand hängen Entwürfe für eine neue Figur, die Protagonist einer RTL II-Serie werden soll - bislang streng geheim. Im Hinterzimmer herrscht Tabaluga. Seit sieben Jahren bewegt Rebele dessen Mimik per Fernbedienung und verleiht dem grünschillernden Drachen bei Tabaluga-TV eine Stimme.

Gruselig wird es erst in den Hinterräumen des Ateliers: Hier stapeln sich Gliedmaße, einzelne Köpfe, Arme und Beine füllen ganze Regale. Mitten im Raum thront ein fleischfarbenes Frauenkostüm mit Hängebusen, das einst den Schauspieler Ralf Bauer schmückte.

Dahinter beginnt die düstere Leichenkammer mit ihren erstaunlich real aussehenden Bewohnern. Wenn es um die Pathologie geht, ist Rebele penibel. Wochenlang hat er in einer Rechtsmedizin verbracht, Leichen studiert und bei Sektionen zugeschaut. "Ich habe die wüstesten Sachen in der Kühlkammer gesehen - und unheimlich viel gelernt über das Leben und den Tod, über die Materie Mensch und den körperlichen Verfall."

Jedes Haar einzeln eingestochen

Eine von Rebeles ersten Leichen ist ein Pater, der mit heruntergelassener Hose von der Kirchendecke baumelt. "Man konnte dem Schauspieler nicht zumuten, den ganzen Tag nackt dort zu hängen. Außerdem war die brüchige Decke zu gefährlich", erzählt Rebele. Mehrere Puppenbauer waren über Wochen mit dem Nachbau beschäftigt. Von dem nackten Schauspieler wurde ein Ganzkörperabdruck gemacht und mit Silikon ausgegossen.

"Der Vorteil von Silikon ist, dass es fleischartig aussieht und sich auch so anfühlt", erklärt Rebele. Dann muss der künstliche Körper eingefärbt werden, damit die Oberfläche transparent wirkt wie echte Haut. In mühsamer Handarbeit wird schließlich jedes Haar einzeln eingestochen.

Je frischer und lebendiger eine Leiche aussieht, desto aufwendiger sei die Herstellung, sagt Rebele. "Wenn wir Flugzeugabstürze nachbauen und nicht mehr genug Geld und Zeit bleibt, brennen wir auch mal ein paar mehr Haare weg." Dennoch kostet eine menschliche Attrappe mehr als 10.000 Euro in der Herstellung. Im Fernsehen sieht man den Toten oft nur wenige Sekunden. Trotzdem scheint sich das Geschäft mit den Dummies zu lohnen - vor allem seitdem auch im deutschen Fernsehen Rechtsmedizinserien boomen. Dutzende von Toten hat Rebele allein für die RTL-Serie "Post Mortem" gebaut.

Nur Horrorfilme haben den Puppenbauer mit den langen braunen Locken nie interessiert. "Ab und zu habe ich Anfragen für Splattermovies, aber das bin ich nicht", sagt Rebele. "Ich mag die Blutpampe nicht, die überall klebt." Niemand erwarte sorgfältige Arbeit, weil hinterher sowieso literweise Blut darüber gekippt werde.

Lieber widmet sich der "Leichenmann" deshalb seiner zweiten Passion, den Kinderpuppen, die sich im Prinzip von den Toten kaum unterscheiden. Denn ob Rebele nun eine Leiche kreiert, die einen Krimi ins Rollen bringt, oder ein knuddeliges Fantasiewesen erschafft, das den Kindern eine Geschichte erzählt - "letztendlich geht es darum, mit einem Charakter die Zuschauer zu bewegen".

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:Leichen sind sein Leben

Aufgedunsene Wasserleichen, verstümmelte Brandopfer und verrottete Skelette - Robert Rebele schreckt vor keiner Leiche zurück. Er ist nämlich Puppenmacher.

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