Zwischen Welten:Kreativ bei der Wohnungssuche

Zwischen Welten: Emiliia Dieniezhna.

Emiliia Dieniezhna.

(Foto: Bernd Schifferdecker)

Unsere Kolumnistin wirbt für die Idee einer ukrainischen Freundin, leerstehende Häuser, die bald abgerissen werden sollen, übergangsweise an Geflüchtete zu vermieten. Wo das schon funktioniert und wie das noch besser werden könnte.

Kolumne von Emiliia Dieniezhna

Als ich im März nach München kam, war mir sofort klar, dass ich etwas für meine Landsleute tun muss, die wie meine kleine Tochter und ich ihre Heimat aus Angst vor dem russischen Angriffskrieg verlassen mussten. Ich konnte einfach nicht stillsitzen. Deswegen habe ich in den ersten Wochen in einer der Sammelunterkünfte für die ukrainischen Geflüchteten als ehrenamtliche Übersetzerin geholfen. Ich habe dort viele Menschen gesehen, die eine private Unterkunft suchten. Einigen konnte ich dabei sogar helfen, denn es waren zu dieser Zeit eine ganze Reihe von Initiativen entstanden, die sich um Wohnraum gekümmert haben. Sie haben Kontakte zu Münchnerinnen und Münchnern vermittelt, die bereit waren, ukrainische Geflüchtete aufzunehmen. Ich kannte einige dieser Initiativen und auch Privatpersonen, die unermüdlich nach Unterkünften gesucht haben. Auf dem Münchner Wohnungsmarkt eigentlich ein aussichtsloses Unterfangen, das ohne die Freiwilligen und die Großzügigkeit der Gastgeber gar nicht hätte gelingen können.

Das hat sich mit der Zeit natürlich geändert. Einerseits, weil eine gewisse Kriegsmüdigkeit eingetreten ist, und auf der anderen Seite, weil es auf Dauer zum Platzproblem wird, wenn Geflüchtete in Kinderzimmern untergebracht wurden oder man seine Wohnung mit einer weiteren Familie teilt. Umso mehr bin ich allen dankbar, die weiterhin nach privaten Unterkünften suchen.

Eine von ihnen ist meine gute Bekannte Iryna. Sie lebt seit 15 Jahren in München, arbeitet als Abteilungsleiterin und hat drei Kinder. Seit Kriegsbeginn engagieren sich ihre ganze Familie, Freunde und Bekannte in der Flüchtlingshilfe - und das meistens abends nach der Arbeit oder am Wochenende.

Oft hilft Iryna Menschen zuerst, die besonders dringend eine Unterkunft brauchen, zum Beispiel, weil sie sich einer Krebstherapie unterziehen müssen und das gesundheitliche Risiko in einer Sammelunterkunft für sie zu hoch wäre. Auch Familien mit sehr kleinen Kindern hat sie immer besonders im Blick.

Iryna hat nun eine Nische gefunden, auf die sie ihr Onkel brachte. Sie sucht nach leerstehenden Häusern, zum Beispiel, weil sie in den nächsten Monaten abgerissen werden sollen, und bittet die Eigentümer, die Immobilien bis dahin an Geflüchtete zu vermieten. Meist können mehrere Familien in einem Haus wohnen - nach dem Prinzip einer WG. In diesem Fall wird der Wohnraum je Familie separat vermietet und entweder von den Mietern oder dem Jobcenter bezahlt.

Ich meine, das ist eine wirklich tolle Idee. Wir alle wissen, wie schwierig die Suche nach Wohnraum in München und der Region ist. Und ich bin immer begeistert von Menschen, die innovative, aber auch realisierbare Lösungen zu schwierigen Themen suchen und finden.

Bis jetzt hat Iryna mit ihren Angehörigen und Freunden Wohnraum für etwa 20 Familien organisiert. Allerdings hat sie 500 Personen auf ihrer Warteliste. Sie könnte viel mehr leerstehende Häuser zur Zwischenmiete vermitteln, sagt Iryna. Aber das Schwierigste sei, die Eigentümer davon zu überzeugen, das Haus für Geflüchtete zur Verfügung zu stellen. Sie befürchteten, dass die Mieter nicht rechtzeitig ausziehen, wenn der Abrisstermin gekommen ist. Und wenn sie ein Haus länger vermieten möchten, hätten sie Angst, dass die Geflüchteten in ein paar Monaten in die Ukraine zurückkehren. Ein Risiko, dass die Vermieter nicht alleine tragen wollen.

Das sind verständliche Gründe, für die ich aber ein paar Lösungsansätze hätte. Zum Beispiel sagen viele Vermieter, dass es besser wäre, wenn es einen Hauptmieter gäbe, der sich um das ganze Prozedere kümmert und auch die finanzielle Verantwortung übernimmt. Hilfreich wäre aber auch, wenn die Stadt München oder etablierte Organisationen das Engagement meiner Bekannten unterstützen würden. Vermieter könnten sich dadurch bestimmt sicherer fühlen. Mit entsprechenden Anfragen dazu hatte Iryna bis jetzt leider keinen Erfolg.

Eine weitere wirklich gute Sache wäre natürlich, wenn sich noch mehr Vermieter finden könnten, deren Häuser in der nächsten Zeit abgerissen werden sollen. Bis es soweit ist, ließen sich diese Häuser sicher kurzfristig gut an Geflüchtete vermieten.

Mit kleinen Schritten können wir so viel erreichen. Wenn sich jemand hier angesprochen fühlen sollte oder noch andere Ideen hat, freue ich mich über eine Kontaktaufnahme.

Emiliia Dieniezhna, 34, flüchtete mit ihrer vierjährigen Tochter Ewa aus Kiew nach Pullach bei München. Von dort aus arbeitet sie ehrenamtlich für die Nicht-Regierungs-Organisation NAKO, deren Ziel es ist, Korruption in der Ukraine zu bekämpfen. Außerdem unterrichtet sie ukrainische Flüchtlingskinder in Deutsch. Für die SZ schreibt sie einmal wöchentlich eine Kolumne über ihren Blick von München aus auf die Ereignisse in ihrer Heimat.

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