Zwischen Welten:Kunst hilft Kriegsopfern

Zwischen Welten: Emiliia Dieniezhna

Emiliia Dieniezhna

(Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))

Unsere Kolumnistin hat eine Quilt-Ausstellung in Pullach besucht und war so beeindruckt wie überrascht, welche Brücken die textilen Kunststücke in ihre Heimat schlagen.

Von Emiliia Dieniezhna

Vor einer Woche habe ich in Pullach eine Quilt-Ausstellung besucht. Ein Bekannter aus dem Ort hatte mich darauf hingewiesen. Er hat selber schon ein paar Quilts gekauft und war sicher, dass mir diese Textil-Kunst gefällt. Besonders hat mir aber auch gefallen, dass die Einnahmen aus dem Verkauf an die Ukraine gespendet werden. Und nicht zuletzt hatte ich noch nie einen Quilt in natura gesehen. Ich war neugierig.

Die Quilts waren herrlich bunt. Mein erster Gedanke war, dass ich mir so ein textiles Kunststück gerne an die Wand hängen würde. Alles in der Ausstellung war positiv - bis ich einen Quilt entdeckte, auf dem die ukrainischen Buchstaben für Mariupol aufgenäht waren. Der Quilt zeigte außerdem eine traurige Maske, aus der Tränen fließen. Das Motiv traf mich mitten ins Herz. Mariupol ist die Stadt am Schwarzen Meer, die von russischen Truppen quasi zerstört wurde und nun über die Scheinreferenden zu Russland gehören soll.

Zwischen Welten: Die weinende Maske und die aufgenähten ukrainischen Buchstaben für Mariupol rührten unsere Kolumnistin zu Tränen.

Die weinende Maske und die aufgenähten ukrainischen Buchstaben für Mariupol rührten unsere Kolumnistin zu Tränen.

(Foto: Maria Nußhart/oh)

Ich selber wurde in einer Stadt ganz in der Nähe von Mariupol geboren. Es ist fast meine kleine Heimat. Tausende Menschen sind dort gestorben, niemand weiß genau, wie viele, weil die Ukraine keinen Zugang zu der Stadt hat. Die Soldaten, die hier gekämpft haben, sind entweder gefallen oder in russischer Kriegsgefangenschaft. Jedes Mal, wenn ich an Mariupol denke, fühle ich mich wie diese traurige Maske, die weint.

Dieser Quilt ist wie ein Spiegel meiner Lebensrealität. So muss Kunst sein: Gefühle spiegeln und Gedanken anregen. Ich hatte Glück, ich konnte in Maria Nußhart die Frau treffen, die diesen Quilt geschaffen hat. Sie erzählte mir, dass sie ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung zu dem Werk inspiriert habe.

Für die Ausstellung in Pullach hat Maria Nußhart insgesamt 15 Quilts zur Verfügung gestellt. Neben dem Mariupol-Quilt gibt es noch zwei weitere, die den Krieg gegen mein Heimatland thematisieren. Bei einem hat sich die Künstlerin von Picassos Friedenstaube inspirieren lassen, sie soll auch der Ukraine den Frieden zurückbringen, so ihre Hoffnung.

Maria Nußhart und die Pullacher Quiltgruppe unterstützen die Ukraine schon lange. Die Gruppe besteht inzwischen aus elf Personen und organisiert alle zwei bis drei Jahre Ausstellungen im Pullacher Bürgerhaus. Jede Ausstellung hat einen sozialen Bezug, der Erlös wird für entsprechende Projekte gespendet. Früher ging der Erlös auch schon mal nach Baryschiwka, die ukrainische Partnerstadt Pullachs. Viele Dörfer in der Region wurden von der russischen Armee zerstört. Die Quiltgruppe ist von den furchtbaren Folgen des Krieges dort sehr berührt und spendet deshalb erneut für Baryschiwka.

Die Quilt-Ausstellung hat mich sehr bewegt. Der Krieg und das Leiden meiner Landsleute in der Heimat werden nicht vergessen, und die Kunst hilft dabei. Ein wunderbares Beispiel dafür, wie Menschen anderen Menschen helfen können. Für diese Erfahrung und Inspiration bin ich sehr dankbar.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: