Zwischen Welten:Haare für den Frieden

Zwischen Welten: Kolumnistin Emiliia Dieniezhna

Kolumnistin Emiliia Dieniezhna

(Foto: Bernd Schifferdecker)

Unsere Kolumnistin hält von Pullach aus auch über soziale Medien Kontakt mit der Heimat. Im Netz hat sie Geschichten von Landsleuten gefunden, die mit kreativen Ideen die ukrainischen Soldaten unterstützen.

Von Emiliia Dieniezhna

Dieser Tage habe ich ein Video gesehen über das zehnjährige Mädchen Daria, das ihre Haare verkauft, um der ukrainischen Armee zu helfen. Daria wohnt in Odessa am Schwarzen Meer. Sie hatte ihr Haar ihr ganzes Leben lang wachsen lassen. Es war fast 60 Zentimeter lang und Daria war sehr stolz darauf. Trotzdem hat sie sich entschieden, ihre Haare abzuschneiden, um sie zu verkaufen. Fast 300 Euro hat sie damit eingenommen - und das Geld für die ukrainische Armee gespendet. Darias Eltern wollten immer, dass ihre Tochter lange Haare hat. Aber sie haben sie dennoch unterstützt, um etwas zurückzugeben für die Soldaten, die sie zu schützen versuchen.

Die Geschichte von Daria hat mich zu Tränen gerührt. Dabei ist sie nicht einmal einzigartig. Ich lese jeden Tag in den sozialen Medien von Menschen, von Kindern genauso wie von Senioren, die auf ihre Art Seite an Seite mit den ukrainischen Soldaten für unsere Freiheit kämpfen.

Die zehnjährige Schachmeisterin Valeria etwa spielt mit Passanten gegen Geld Schach neben einem Einkaufszentrum in Kiew. Natürlich gewinnt sie immer. Die Einnahmen spendet sie für die Armee. Alte Frauen, die wir liebevoll Babuschkas nennen, bleiben in den ausgebombten Städten und Dörfern, um den Soldaten frische Milch zu bringen.

Alle meine ukrainischen Freunde, Kollegen und Bekannte, in der Ukraine und im Ausland, unterstützen die Soldaten mit den unterschiedlichsten Aktionen, damit sie die russischen Angreifer bezwingen können. Viele militärische Ausrüstungsgegenstände dürfen natürlich nur von Regierungen, ganz bestimmten Stiftungen oder Rüstungsfirmen gekauft werden. Die jungen Mütter, mit denen wir in Kiew im Park spazieren gegangen sind, sammeln aber auf Facebook Spenden für Drohnen, Geländefahrzeuge und Schutzwesten, weil trotz der großen internationalen Unterstützung vieles fehlt. Ehrenamtliche kaufen, was erlaubt ist. Ich kenne wirklich niemanden - weder in Pullach noch anderswo, der sich nicht engagiert. Deshalb bin ich sicher, dass mein Land unsere Freiheit erfolgreich verteidigen wird.

Als Journalistin und Zivilaktivistin sehe ich meine Aufgabe und Form der Unterstützung in der Kommunikation. Ich möchte darüber informieren, was die Ukraine braucht. Und ich recherchiere, wie die westlichen Sanktionen gegen Russland wirken. Leider gelingt es Putin immer wieder, diese zu umgehen. Die Europäische Union, die ukrainische Regierung und die demokratischen Partnerländer arbeiten daran, Schlupflöcher zu schließen. Dafür benötigen sie die Kenntnisse von Analystinnen und Kommunikationsexperten. Meine Kolleginnen und Freunde aus der Ukraine entwickeln Lösungen, ich helfe, diese zu kommunizieren.

Ich freue mich deshalb sehr über die Unterstützung der Nicht-Regierungs-Organisation "Transparency Deutschland", wo ich im Rahmen eines Austauschprogrammes jetzt gerade in Berlin bin. Ich hoffe, mit der Arbeit dort auch einen kleinen Beitrag zum Frieden leisten zu können, so wie Daria, Valeria und die Babuschkas.

Emiliia Dieniezhna, 34, flüchtete mit ihrer vierjährigen Tochter Ewa aus Kiew nach Pullach bei München. Von dort aus arbeitet sie ehrenamtlich für die Nicht-Regierungs-Organisation NAKO, deren Ziel es ist, Korruption in der Ukraine zu bekämpfen. Für die SZ schreibt sie einmal wöchentlich eine Kolumne über ihren Blick von München aus auf die Ereignisse in ihrer Heimat.

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