Zwischen Welten:Der Traum vom Urlaub daheim

Zwischen Welten: Emiliia Dieniezhna

Emiliia Dieniezhna

(Foto: Bernd Schifferdecker)

Es ist nicht das Meer, es sind nicht die Berge. Unsere Kolumnistin weiß, wohin ukrainische Geflüchtete in den Sommerferien am liebsten reisen würden. Über einen Spagat zwischen Sehnsucht und Gefahr.

Kolumne Von Emiliia Dieniezhna, München

Mit Beginn der Sommerferien haben sich auch ukrainische Kriegsgeflüchtete gefragt: Was kann man unternehmen? Wie die Kinder beschäftigen? Vor der Annexion der Krim haben viele meiner Landsleute ihren Urlaub auf der Halbinsel zwischen dem Schwarzen und dem Asowschen Meer oder in Odessa verbracht. Ich hatte auch eine Ferienwohnung auf der Krim, seit der russischen Besetzung bin ich nicht mehr dort gewesen. In den vergangenen Jahren sind viele ukrainische Familien nach Ägypten oder in die Türkei geflogen, die Reisen dorthin waren für uns günstig. Seit Putin im Februar mein Land angegriffen hat, ist daran nicht mehr zu denken. Und auch die Strände rund um Odessa sind zu gefährlich geworden. Mehrmals schon sind dort russische Raketen eingeschlagen.

Einige Frauen, die mit ihren Kindern nach Deutschland geflüchtet sind, würden nun gerne in die Ukraine reisen. Nicht ans Meer, nein, sie wollen einfach ihre Angehörigen, ihre Männer oder Väter sehen. Aber ist das mit Kindern nicht viel zu gefährlich? Der Mann meiner Freundin, der selber an der Front kämpft, hat seiner Frau verboten, mit ihrem Sohn in die Ukraine zu fahren, obwohl der Junge, er ist im Teenageralter, sich nichts sehnlicher wünscht.

Es gibt aber auch Frauen, die das Risiko eingehen. Meine Freundin Switlana zum Beispiel, die mit ihrem fünfjährigen Sohn nach Österreich geflüchtet ist, hat sich nach langem Zögern doch entschieden, in die Ukraine zu fahren. Sie sagte mir: "Emiliia, wir vermissen unseren Papa und die anderen Familienmitglieder furchtbar, wir müssen einfach nach Hause."

Und dann gibt es Familien, die gerne ihre Verwandten in der Ukraine besuchen würden, aber nicht dürfen. Das ist einer anderen Freundin passiert. Seit März ist sie mit ihrem Sohn in Bayern. Aber einen Aufenthaltstitel hat sie noch nicht. Den bräuchte sie, um wieder einreisen zu dürfen.

Die meisten Ukrainer, die ich kenne, bleiben in Bayern, weil sie einfach Angst vor dem Krieg haben. Wie gut, dass es im August noch das 9-Euro-Ticket gibt. Damit können sie ein wenig durch das Land fahren und versuchen, die Zeit mit den Kindern zu genießen, ohne ständig an den Krieg zu denken. Ich habe auch Bekannte, die bereits Geld verdienen und vom Jobcenter unabhängig sind. Sie wollen gerne ans Meer fahren - an die Nord- oder Ostsee oder nach Italien, wenn es nicht allzu teuer wird. Ich wünsche ihnen von Herzen, dass das klappt.

Ich selber verbringe meinen Urlaub in Berlin, wo ich eine Hospitanz bei Transparency Deutschland mache. Ich habe mich schon vor dem Krieg dafür beworben, weil ich Neues lernen will, um im deutschsprachigen Raum mehr über die Reformen in der Ukraine zu berichten.

Meine kleine Tochter Ewa bleibt für diese Zeit in Pullach bei ihrer Oma. Der Kindergarten hat in den Ferien drei Wochen geschlossen. In dieser Zeit wird sie an Ferienprogrammen in München und Umgebung teilnehmen. Kinder brauchen im Sommer Zeit für ihre Kindheit und ihre Freunde. Der Krieg sollte für sie kein Thema sein.

Emiliia Dieniezhna, 34, flüchtete mit ihrer vierjährigen Tochter Ewa aus Kiew nach Pullach bei München. Von dort aus arbeitet sie ehrenamtlich für die Nicht-Regierungs-Organisation NAKO, deren Ziel es ist, Korruption in der Ukraine zu bekämpfen. Für die SZ schreibt sie einmal wöchentlich eine Kolumne über ihren Blick von München aus auf die Ereignisse in ihrer Heimat.

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