Zwischen Welten:Versteht euch

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Emiliia Dieniezhna (Foto: Bernd Schifferdecker)

Wie einfach das Miteinander sein kann, auch wenn man die Sprache des Gegenübers nicht spricht, das hat unsere Kolumnistin mit ihrer Tochter beim Kinder-Theater-Marathon im ägyptischen Museum erlebt.

Von Emiliia Dieniezhna

Seit ich mit meiner Tochter nach München gekommen bin, ist es eine der großen Herausforderungen, die Freizeit von Ewa zu organisieren. Für mich ist wichtig, dass sie neue Kulturen kennenlernt, aber auch ihre eigene nicht vergisst. Das sagte schon der berühmte ukrainische Dichter Taras Schewtschenko: "Lernt das Fremde, aber scheut auch das Eure nicht." Deshalb besuche ich mit ihr so viele Veranstaltungen wie möglich, bei denen sie die ukrainische Sprache hören oder unsere Kultur erleben kann.

Voriges Wochenende fand ich wieder eine solch schöne Möglichkeit für die geflüchteten Kinder aus der Ukraine, aber natürlich auch für alle anderen Kinder: Den Kinder-Theater-Marathon mit dem Titel "Kasperl und seine Brüder" im ägyptischen Museum.

Es gab ein Marionettentheater, aber auch ein buntes Programm drumherum, zum Beispiel Bastelworkshops. In den Pausen gab es Musik und Gesang in verschiedenen Sprachen, darunter neben Deutsch auch Ukrainisch, Russisch, Jiddisch und mehr. Der Marathon hat dem kleinen (und großen) Publikum verschiedene Kulturgüter nahegebracht, darunter auch das Märchen der Brüder Grimm vom Froschkönig, das vom Kasperl erzählt wurde.

Die Inszenierung, die uns am meisten gefallen hat, "Herodes und das Krokodil", wurde gemeinsam mit ukrainischen Musikern, Darstellerinnen und Künstlern in einem Mix der verschiedenen Sprachen gespielt. Es ging um ein Treffen von drei Marionetten, der slawischen Petrushka, dem deutschen Kasperl und der neapolitanischen Pulcinella. Im Stück verbündeten sie sich, um den mächtigen König Herodes zu bekämpfen, damit er keine Kinder mehr töten lässt. Dazu haben sich die drei ebenfalls aus Könige ausgegeben und Herodes ein Ei mit einem bösen Krokodil darin geschenkt. Für mich war die Botschaft dahinter, sich zusammenzutun, um gemeinsam gegen Unrecht vorzugehen.

Wir haben den Kinder-Theater-Marathon zusammen mit einer ukrainischen und einer deutsch-italienischen Familie besucht. Deren Tochter, die kleine Mathilda, konnte die ukrainisch gesprochenen Teile natürlich nicht verstehen, ich habe viel für sie übersetzt. Wie schön, dass Pulcinella auf einmal auf uns zukam und auf Italienisch angesprochen hat. Mathilda war total begeistert. Diese Mischung aus Sprachen und Kulturen an diesem Nachmittag hat unterstrichen, wie leicht es ist, sich zu verstehen, auch wenn man die Sprache des anderen nicht spricht. Am wichtigsten ist der Wille, sein Gegenüber zu verstehen.

Ein Höhepunkt des Kinder-Theater-Marathons war für mich die ukrainische Musik, die immer in den Pausen von einer Band gespielt wurde. Die traditionellen, aber auch die modernen Lieder haben mich sehr gefreut und ich habe mitgesungen und mitgetanzt.

Am Ende dieses schönen Tages gab es noch eine große Überraschung für mich persönlich. Meine ukrainische Freundin, die vor einigen Monaten vor dem Krieg geflüchtet ist, schenkte mir eine Vyschyvanka. Das ist unsere ukrainische Nationaltracht mit ihren besonderen Stickereien, die oft auch als unser kultureller Code bezeichnet werden. Meine eigene musste ich bei meiner Flucht in Kiew zurücklassen. Ich freue mich umso mehr darauf, meine Vyschyvanka nun in Bayern tragen zu können und zu zeigen, woher ich komme.

Emiliia Dieniezhna, 34, flüchtete mit ihrer damals vierjährigen Tochter Ewa aus Kiew nach Pullach bei München. Sie arbeitet ehrenamtlich für die Nicht-Regierungs-Organisation NAKO, deren Ziel es ist, Korruption in der Ukraine zu bekämpfen. Außerdem unterrichtet sie ukrainische Flüchtlingskinder in Deutsch. Für die SZ schreibt sie einmal wöchentlich eine Kolumne über ihren Blick von München aus auf die Ereignisse in ihrer Heimat.

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Zwischen Welten
:Die Verbindung zwischen Freundschaft und Kultur

Je länger der Krieg dauert, umso wichtiger werden neue Kontakte für unsere ukrainische Kolumnistin, zu Geflüchteten genauso wie zu Einheimischen. Welche wohltuenden Erlebnisse das mit sich bringt und wie sie damit auch im Land herumkommt.

Von Emiliia Dieniezhna

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