Pünktlichkeit der S-Bahnen:Streit um die Statistik

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Über die Pünktlichkeitsstatistik streiten der Münchner S-Bahn-Chef und der Fahrgastverband. (Foto: dpa)
  • Laut aktueller Pünktlichkeitsstatistik fahren fast 96 Prozent aller S-Bahnen in München pünktlich. Im Vorjahr waren es 93,9 Prozent.
  • Die Realität sehe anders aus, sagen Kritiker: Vor allem bei Großstörungen lasse die S-Bahn viele Züge vorzeitig am Hauptbahnhof, in Pasing oder am Ostbahnhof wenden. Damit fallen sie aus der Statistik raus.
  • Oft lasse die Bahn zudem Züge ausfallen, die im Berufsverkehr für einen engeren Takt sorgen.

Von Marco Völklein, München

Andreas Barth ist erbost. Vergangene Woche hatte die S-Bahn eine Pünktlichkeitsstatistik vorgelegt. Demnach kamen fast 96 Prozent aller S-Bahnen pünktlich (Vorjahr: 93,9 Prozent). S-Bahn-Chef Bernhard Weisser hatte einen "großen Erfolg" reklamiert und das Ganze als "Ergebnis vieler kleiner Maßnahmen" gepriesen. Unter anderem wurden die Züge so konfiguriert, dass sie etwas schneller anfahren.

Das brachte einige Zehntelsekunden pro Bahnhof. Zudem wurde das Bahnsteigpersonal geschult, um bei Arzteinsätzen rascher helfen zu können. Doch Barth, Münchner Sprecher des Fahrgastverbands Pro Bahn, sieht keinen Grund, die S-Bahn-Manager zu loben. Im Gegenteil: Auf vielen Linien sei die Qualität "nicht besser, sondern schlechter geworden", findet Barth. Wichtig seien "nicht hübsche Statistiken, sondern die Leistung, die täglich am Bahnsteig abgeliefert wird".

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Und die sehe in der Realität ganz anders aus als in der Statistik. Insbesondere bei Großstörungen lasse die S-Bahn viele Züge vorzeitig am Hauptbahnhof, in Pasing oder am Ostbahnhof wenden. Diese fahren dann nicht in den Tunnel unter der Innenstadt ein - und fallen somit raus aus Weissers Statistik. Schlimmer noch: Oftmals lässt die Bahn die "Taktverstärker" komplett ausfallen; das sind die Züge, die im Berufsverkehr auf einigen Linien einen Zehn-Minuten-Takt bieten.

Die Folge: "Züge, die gar nicht fahren, können auch nicht unpünktlich sein", sagt Wolfram Liebscher vom Verkehrsclub Deutschland (VCD). Unterm Strich verschlechtere sich so die Situation massiv. Barth hat im Januar nachgezählt: Demnach fuhren an nur acht Tagen die Taktverstärker ungestört. "An mindestens zwölf Tagen gab es Ausfälle." Lässt die Bahn also gezielt Züge ausfallen, um für die restlichen eine bessere Pünktlichkeit ausweisen zu können?

Zugausfälle für eine bessere Statistik

S-Bahn-Chef Weisser weist das vehement zurück: "Wir erkaufen uns keine besseren Pünktlichkeitswerte durch Zugausfälle." Das ergebe schon aus betriebswirtschaftlicher Sicht keinen Sinn. Denn der Konzern bekommt für jede S-Bahn, die er fährt, vom Freistaat einen Betrag bezahlt. Kommt der Zug zu spät, zieht der Freistaat davon Strafbeträge ab, sogenannte Pönalen. Und für jede S-Bahn, die überhaupt nicht fährt, gibt es keinen Cent. Dieser Einnahmeausfall lasse sich "über geringere Pönalen nicht ausgleichen", sagt Weisser. Vielmehr versuche man, durch schnelle Ableitungen und Herausnahme einzelner Züge bei Großstörungen das System insgesamt zu stabilisieren. Und so möglichst rasch wieder den Regelbetrieb zu fahren.

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Weisser räumt aber ein, dass Züge, die vorzeitig enden und nicht in den Tunnel einfahren, in die Statistik (und auch die Pönale-Berechnung) nicht einfließen. Denn gemessen wird die Pünktlichkeit an zwei Stationen auf der S-Bahn-Stammstrecke. Daneben existiere aber eine weitere Statistik, die die Bahn intern führe, sagt Weisser. Diese basiere auf zahlreichen Messpunkten im gesamten Münchner Netz. Und da zeige sich, dass die Werte aus beiden Statistiken "in hohem Maße korrelieren".

Die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) hatte sich vor Jahren ähnliche Vorwürfe anhören müssen. Auch sie hatte nur an einzelnen Bahnhöfen gemessen, Zugausfälle fielen unter den Tisch. Deshalb habe man das System umgestellt, sagt MVG-Chef Herbert König. Nun werde die Pünktlichkeit "flächendeckend" und "aus Fahrgast-Perspektive" erfasst. 2014 waren laut König 94,4 Prozent der U-Bahnen pünktlich (2013: 92,5 Prozent), 79,2 Prozent der Trambahnen (2013: 78,2) und 78,6 Prozent der Busse (2013: 76,7).

© SZ vom 06.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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