Süddeutsche Zeitung

Public Viewing in München:Streit um Lärm im Hirschgarten

WM, Champions League oder Trachtentag: Die Anwohner des Hirschgartens wollen mit einer Landtagspetition gegen den Lärm in Münchens größtem Biergarten vorgehen. Vor allem beim Public-Viewing werden die Grenzwerte überschritten. Doch das stört längst nicht alle.

Von Sonja Niesmann

Wie viel Lärm müssen Anwohner eines Biergartens ertragen? Einige Nachbarn des Hirschgartens, der oft als Europas größter Biergarten tituliert wird, sind der Meinung, die Großgastronomie sprenge längst alle Grenzen eines traditionellen Biergartens. Sie wollen den Rummel mit einer Petition an den Landtag zügeln.

Seit der geschäftstüchtige Wirt Johann Eichmeier vor 25 Jahren den 8200 Plätze fassenden Betrieb in Nymphenburg übernommen hat, sei dieser nicht nur eine der beliebtesten Public-Viewing-Stätten in München, sondern "ein folkloristisch verbrämter Selbstbedienungs-Megamarkt für Eventereignisse" geworden, schäumen sie.

Am Dienstagabend haben sich drei mit der Petition befasste Abgeordnete, unter ihnen Christian Magerl, der Vorsitzende des Umweltausschusses, selbst ein Bild gemacht. Im Hexenkessel landen sie dabei nicht. Am Himmel dräuen dunkle Wolken, viele Plätze vor den drei Leinwänden bleiben leer beim Spiel Schweiz gegen Argentinien, auch der Ton ist etwas leiser gedreht als neulich bei der Begegnung zwischen Deutschland und Portugal.

Alfred Hoffmann und Bernd Glaser müssen sich also etwas Mühe geben, ihr Leiden am "Garten der röhrenden Hirsche", wie Hoffmann gerne formuliert, anschaulich zu vermitteln: Übertragungen von Welt- und Europameisterschaften, von Champions League und DFB-Pokal, Frühschoppen, Blasmusik, Trachtentag, Magdalenenfest, "laut grölende Besucher auf dem Heimweg, "Notdurft an Gartenzäunen" - ein ständiges sommerliches Karussell der Zumutungen.

"Exorbitant hohe Überschreitungen der Lärm-Grenzwerte"

Johann Eichmeier listet dagegen auf, was er bereits unternommen hat aus Rücksicht auf die Anwohner. Zum Beispiel: Im Westteil des Gartens, ans Eingangstor grenzend, werden die Krüge nach 23 Uhr nicht mehr abgeräumt. Leisere Stapler für die Bierfässer. Anlieferung der Brezen-Rohlinge per LKW erst um 10 Uhr. Dazu 35 Security-Männer beim Public Viewing während der WM, die den Gästen Tröten, bengalisches Feuer und Schnapsflaschen abnehmen.

Vor zwei Jahren waren die Anwohner bereits vors Verwaltungsgericht gezogen. Die Richterin bestätigte ihnen zwar, dass ihre Belange bisher nicht sonderlich berücksichtigt worden seien, sah aber die Stadtverwaltung in der Pflicht. Seitdem beschäftigt sich das Referat für Umwelt und Gesundheit (RGU) mit dem "lärmschutztechnischen Konflikt", wie Abteilungsleiter Rudolf Fuchs das ausdrückt.

Seinen Angaben nach liegen die prognostizierten Werte für die Blasmusikkonzerte untertags im zulässigen Bereich. Beim normalen Biergartenbetrieb nach 22 Uhr (der Hirschgarten hat eine Konzession bis 1 Uhr) haben Messungen aber "leichte Überschreitungen" ergeben: "Da besteht noch Verbesserungsbedarf", Eichmeier arbeite bereits daran.

"Exorbitant hohe Überschreitungen der Lärm-Grenzwerte" jedoch, so eine Sprecherin des Kreisverwaltungsreferates (KVR) , haben Messungen im Hirschgarten während der ersten drei WM-Spiele erbracht. Das KVR verfügte deshalb, dass im Westteil des Gartens, zur Wohnbebauung hin, nur mehr Spiele mit deutscher Beteiligung übertragen werden dürfen und dass um 22 Uhr Schluss sein muss. Ausnahme: die beiden Halbfinalspiele und das Finale - wegen ihrer "überragenden öffentlichen Bedeutung", erläutert Fuchs.

Wie beim Ärger am Gärtnerplatz

Nur Spiele mit der deutschen Elf - das sei doch "Rassismus", grummelt Eichmeier beim Ortstermin am Dienstag. Die Umstehenden nicken beifällig. Dem Häuflein von acht Anwohnern, das ist spürbar, steht hier eine Allianz gegenüber aus Stimmkreisabgeordneten, Stadträtinnen, Mitgliedern des Bezirksausschusses, Vertretern der Augustiner-Brauerei und auch einigen dem Biergarten freundlicher gesonnenen Anwohnern - "gemeinsam brüllt sich's doch viel schöner", betont eine Frau aus der Nachbarschaft. 20 000 Unterschriften für uneingeschränktes Public Viewing im Hirschgarten kamen binnen kürzester Zeit zusammen, gesammelt nicht nur im Biergarten selbst, sondern im ganzen Viertel.

Eine Entscheidung über die Petition fällt an diesem Abend nicht. Dringend geklärt werden müsse noch, erklärt Christian Magerl, ob die Gesamtfläche des Biergartens über die Konzession hinaus um etwa 2000 Sitzplätze erweitert worden ist. Die Anwohner behaupten das, der Wirt bestreitet es, die Vertreter der Stadt können dazu hier und jetzt nichts sagen.

Magerl regt schließlich einen anderen Weg zur Konfliktlösung an: einen Runden Tisch, mit professioneller Mediation, wie beim Ärger am Gärtnerplatz praktiziert. Damit erklären sich alle einverstanden, "darauf sollten wir anstoßen", sagt Alfred Hoffmann. Johann Eichmeier füllt die Maßkrüge - wenn auch mit leicht gequältem Lächeln.

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SZ vom 03.07.2014/amm
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