Fußball-EM:Public Viewing

Hat mit Fußball nichts zu tun: ein Public Viewing, also ein echtes – hier dargeboten im Vatikan, wo im Januar 2023 der Leichnam von Benedikt XVI. aufgebahrt war. (Foto: IMAGO/Stefano Costantino/IMAGO/ZUMA Wire)

Veranstaltung, die es in Deutschland beim Fußball gibt, und im Vatikan, wenn der Papst tot ist.

Von Detlef Esslinger

Zu den wirklich bemerkenswerten Vorlieben der Deutschen gehört es, ohne Not englische Wörter statt deutsche zu benutzen – und zwar in vermeintlich genauer Übersetzung aus der eigenen Sprache. Vielleicht in dem Bemühen, weltläufig zu sein, produzieren die Deutschen ihre Scheinanglizismen, sie sprechen vom Home-Office statt vom Büro daheim; ein altes Auto ist für sie ein Oldtimer. Aber wer Gästen aus England mitteilt, am Abend nach dem Home-Office mit seinem Oldtimer zum Public Viewing zu fahren, der kündigt etwas an, das er sehr wahrscheinlich nicht ankündigen wollte: eine Fahrt vom Innenministerium (home office) mit einem alten Menschen (oldtimer) zur öffentlichen Aufbahrung eines Leichnams (public viewing). Wenn der Vatikan einen soeben verstorbenen Papst offen auf einer Bahre präsentiert, oder der Kreml immer noch Lenin – das ist Public Viewing. Den Ort aber, an dem Menschen zusammenkommen, um vor einer Leinwand Fußball zu schauen, nennt man im Englischen fan zone. Manche Wirte (und Medien) in Deutschland haben inzwischen erkannt, wie unfreiwillig komisch ihr „Public Viewing“ war, vielleicht sind sie auch von Gästen aus London oder Glasgow erstaunt befragt worden. Sie nennen die Veranstaltung jetzt Fan-Fest. Passt wahrscheinlich besser.

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