Public Viewing:Am eigenen Grill statt in fremden Armen

Public Viewing zieht bei dieser Europameisterschaft noch nicht so wie bei den vergangenen Turnieren. Das liegt am miesen Wetter, Veranstalter befürchten aber auch, dass der Trend sich dreht - und die Leute wieder lieber zu Hause schauen. Für das Spiel am Samstag gegen Italien erwarten Hallen, Bars und Kneipen dennoch viele Fans

Von Günther Knoll

Der große Ansturm ist bisher ausgeblieben. Das sagen alle Veranstalter, die für die Spiele der Fußball-EM Public Viewing in München anbieten. Mit dem Viertelfinale, in dem die deutsche Elf auf Italien trifft, könnte sich das ändern. Zumindest Münchens Italiener melden volles Haus. Fast alle haben Bildschirme aufgestellt, damit ihre Gäste dieses Spiel sehen können. Und kommen mit den Reservierungswünschen gar nicht nach. War das Wetter zu schlecht, ist Gruppen-Euphorie nicht mehr angesagt, das Sicherheitsgefühl zu unsicher oder zieht Fußball nicht mehr? Von allem ein bisschen, vermutet Tobias Köhler von der Pressestelle der Olympiapark GmbH, der den bisherigen Public-Viewing-Besuch im Olympiapark als "natürlich enttäuschend" bezeichnet. Das Netzwerk Nachbarschaft, ein bundesweiter Zusammenschluss mit 260 000 Followern, will für diese EM die Tendenz zum Public Viewing im kleineren Kreis ausgemacht haben. Demnach schaut man Fußball mit Freunden auf dem privaten Flachbildschirm. Wenn es im Garten nicht geht, wird dazu die Garage ausgeräumt.

Für das Viertelfinale Deutschland gegen Italien vermeldet Köhler aber "eine deutliche Steigerung" bei der Ticketnachfrage. Denn wer im Münchner Olympiastadion öffentlich Fußball schauen will, der muss acht beziehungsweise sechs Euro (ermäßigt) zahlen. Dafür gibt es eine Leinwand, die Köhler als "sensationell" anpreist. 250 Quadratmeter groß liefere sie ausgezeichnete Bilder. Etwa 37 000 Fans können auf ihr das Spiel der DFB-Elf in Bordeaux mitverfolgen. Geschützt unterm Zeltdach des Stadions, wie Köhler anmerkt, denn der Regen hat bisher etlichen Freiluftpartys beim EM-Public Viewing einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Public Viewing Olympiapark

Im Regen stehen gelassen: Nur für hartgesottene Fans war das Public Viewing des EM-Spiels Deutschland gegen Polen am Olympiasee.

(Foto: Martin Hangen)

"Sie brauchen doch nur aus dem Fenster zu schauen, dann wissen Sie, wie unsere bisherige Fußball-Bilanz aussieht", heißt es aus dem Hirschgarten. Münchens größter Biergarten hat eigentlich alles, was Fans vom Public-Viewing erwarten: viel Raum - 8000 Sitzplätze nämlich, vier Großleinwände, Bier und Brotzeiten. Doch bisher spielte das Wetter nicht mit. Nur die ganz Harten seien gekommen, um bei Regen Fußball zu schauen. Im Augustiner-Keller an der Arnulfstraße ist man dagegen zufrieden mit dem bisherigen Besucherzahlen. Dort hat man den Vorteil, bei schlechtem Wetter im Saal einen Leinwand aufbauen zu können. "Drinnen" heißt denn auch die Antwort, wo an diesem Samstag öffentlich geschaut wird - die Wetterprognosen melden bereits für den Nachmittag "gewittrig".

Den Vorteil, im Trockenen bei der EM dabei sein zu können, haben die Gäste zum Beispiel auch im Paulaner auf dem Nockherberg. Dort stehen im Biergarten 2500 Plätze und im Festsaal 3000 Plätze zur Verfügung. Der Hofbräukeller am Wiener Platz hat 1800 Plätze im Biergarten, 300 im Festsaal und im Löwenbräukeller an der Nymphenburger Straße haben im Festsaal fast doppelt so viele Gäste Platz (1700) wie im Biergarten (900). Klar, dass in diesen Sälen die entsprechenden Leinwände für die Fußball-EM bereit stehen.

WM 2014 Endspiel Deutschland Argentinien Public Viewing Olympiastadion Deutschland wird Weltmeist

Beim WM-Finale vor zwei Jahren ging es im Olympiastadion zu wie in Rio.

(Foto: imago/Plusphoto)

Auch Münchens Eventarenen haben für Fußball Platz gemacht, um die EM-Spiele zeigen zu können. Im Backstage in Neuhausen sind dafür gleich zehn Leinwände aufgebaut, der Eintritt ist frei, doch man kann auch reservieren. Auch im Muffatwerk stehen überall Leinwände und Bildschirme bereit, damit die Gäste der Nationalelf zusehen können. In der Freiheizhalle an der Donnersbergerbrücke ist für das Deutschland-Spiel wieder ein Fanfest mit DJ und entsprechenden Fußballhits angesagt. Und auch auf dem Tollwood gibt es Zelte, in denen Fußball auf Großleinwand zu sehen ist. Der Flughafen nutzt die große Freifläche des MAC, wo eine "Airport-Arena" mit einer großen LED-Wand aufgebaut ist, für das Spiel am Samstag ist auch wieder eine Expertenrunde angesagt.

Enger wird es wohl hergehen in Münchens vielen Trattorias, Osterias, Pizzerias, Bars und Eisdielen, die fest in italienischer Hand sind. Ob man denn spinne, antwortet der Wirt des "Bella Italia" an der Weißenburger Straße auf die Frage, ob er denn am Samstag seine Tische in Fanblocks einteile. Ach so - nur Spaß? Ja, den sollten seine Gäste unbedingt haben bei diesem Spiel, und gewinnen solle der Bessere. Im Übrigen seien bei ihm alle Gäste gleich, ob Italiener oder Deutsche. Im Bella Italia hofft man auf schönes Wetter, denn draußen sei einfach viel mehr Platz als im Lokal, sagt der Wirt. Aber das mit dem Wetter werde wohl nichts, müsse man halt zusammenrücken.

Das wird man wohl auch in der Bar Centrale an der Ledererstraße. Gerade einmal 35 Plätze hat dieses kleine italienische Lokal in der Innenstadt. Für 21 gab es am Donnerstagnachmittag bereits Reservierungswünsche - von Italienern wie von Deutschen. Man müsse sich also beeilen, wenn man noch einen Platz wolle. Im Centrale gibt man sich durchaus patriotisch: Wer gewinne? Natürlich die Squadra Azzurra. Immerhin leben in München fast 28 000 Italiener, die am Samstag ihrer Mannschaft die Daumen drücken werden.

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