Erst am Montag dieser Woche habe er sie wieder gehört, sagt Marian F. (Name geändert). Die Stimmen in seinem Kopf. Und sie hätten ihm, wie auch schon in der Vergangenheit, immer wieder dasselbe gesagt: Er solle die Menschen töten, die sich im Augenblick in seiner Nähe aufhielten. Seit Mitte Juni vergangenen Jahres ist Marian F. in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses untergebracht. Der 19-Jährige leidet an paranoider Schizophrenie. Obwohl er sich behandeln lässt und auch Medikamente nimmt, geschehe es nach wie vor, dass er glaube, Stimmen zu hören. Weniger oft als früher, so F. Aber sie seien noch da, räumte er am Dienstag vor dem Landgericht München II ein.
Marian F. soll seinem Freund im Mai vergangenen Jahres ein Küchenmesser mit einer etwa zehn Zentimeter langen Klinge dreimal in den Hals gestochen haben. Der 26-Jährige überlebte schwer verletzt. Die mutmaßliche Tat geschah, als Marian F. und sein Freund in dessen Wohnung in Keferloh nebeneinander auf einem Sofa saßen. Kurz vor der Messerattacke soll Marian F. zu ihm gesagt haben: „Ich halte das nicht mehr aus.“
Dann stach er den Ermittlungen zufolge zu. Zuvor hätten die Stimmen, die er in seinem Kopf zu hören glaubte, „stundenlang“ zu ihm gesagt, er solle zustechen. Er habe das einfach nicht mehr ausgehalten, sagte F. bei seiner Vernehmung zur Vorsitzenden der 1. Jugendkammer, Richterin Henrike Coenen. Nach der Messerattacke „waren die Stimmen weg“, so der 19-Jährige.
Aus Sicht der Staatsanwaltschaft war Marian F. zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Tat aufgrund seiner Erkrankung schuldunfähig. Im Falle einer Verurteilung wird er somit nicht in eine Haftanstalt kommen, sondern in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik unbefristet untergebracht werden. F.’s Verteidiger, Rechtsanwalt Joachim Schwarzenau, gab für seinen Mandanten eine Erklärung ab, in der sich dieser zu der Tat bekannte. Heute wisse der 19-Jährige, dass es falsch gewesen sei, was er getan habe.
Marian F. hat ein Alkohol- und Drogenproblem. Im Alter von 15 Jahren habe er mit dem Trinken begonnen. Erst Bier, später dann Whisky. „Jeden zweiten Tag eine Flasche“, so F. Ab 16 habe er gekifft. Zuletzt angeblich bis zu fünfzig Joints in der Woche. Eine Lehre als Koch brach Marian F. ab. Seit er 17 ist, ist er arbeitslos. In diesem Alter habe er erstmals Stimmen in seinem Kopf gehört und habe damit angefangen, auf Raves, Techno-Partys, zu gehen, und er habe härtere Drogen konsumiert. Kokain, Amphetamin, Ecstasy und ein paar Mal Heroin. Vor allem Ketamin, eine sogenannte Partydroge. Nach dem Konsum von Ketamin habe er mitunter das Gefühl gehabt, er würde fliegen. Manchmal sei er aber auch in einen „Tiefschlaf mit Halluzinationen“ gefallen. Das sei eine „schöne Erfahrung“ gewesen.
Auch vor der mutmaßlichen Tat hatte Marian F. einen Rave besucht. Als die Party am nächsten Morgen zu Ende war, lief er nach Hause, steckte sich ein Küchenmesser ein und ging zu seinem Freund. Bereits in der Vergangenheit, sagte er, sei ihm aufgefallen, dass dieser immer ein Messer in seiner Nähe liegen habe. Deshalb habe er an jenem Tag auch eines mitgenommen, mit dem er den 26-Jährigen dann „abgestochen“ habe. Ein Urteil in dem Prozess wird für Mitte März erwartet.