Süddeutsche Zeitung

Pseudo-Dirndl auf der Wiesn:Einheitstracht vom Kaffeeröster

Die Wiesn-Besucher glauben noch immer, dass sie ohne Tracht nicht bis zum Maßkrug vorgelassen werden. Doch die Modetrends werden immer schlimmer. Wem haben wir es zu verdanken, dass nun alle Velours-Lederhosen für 89,90 Euro oder lila-grüne Dirndl tragen?

Christina Warta

Eine Woche läuft die Wiesn nun schon wieder, doch nie kam es einem schwieriger vor, ihr zu entkommen. Dabei ist ja vieles wie gehabt: zum Beispiel die zahllosen Pseudo- und Billig-Dirndl-Trägerinnen, die plötzlich in allen U-Bahnen anzutreffen sind. Ab 23.10 Uhr torkeln grölende Wiesnheimkehrer hilflos durch die Straßen. Und die Wiesndebatte "Dirndl vs. Jeans" offenbart auch heuer wieder, dass es Menschen gibt, die glauben, ohne Tracht nicht bis zum Maßkrug vorgelassen zu werden.

Und doch gibt es 2011 auch neue Absonderlichkeiten. Ein Kaffeeröster, der im Winter auch Daunenjacken verkauft und im Sommer Gartenfackeln, bietet nun Velours-Lederhosen für 89,90 Euro und ein lila-grünes Dirndl für 99 Euro an. Schnell hat sich dies offenbar unter den auswärtigen Wiesngästen herumgesprochen, und so sah man in den vergangenen Tagen italienische und japanische Reisegruppen in die Filialen drängen.

Heraus kamen sie mit Tüten in der Hand, darin: lila-grüne Dirndl oder Velours-Lederhosen. Man sieht sich im Bierzelt - bei zwei Promille fällt eh keinem mehr auf, dass alle dasselbe Kleid tragen. Die Fortgeschrittenen unter den Zuagroasten erquicken die Einheimischen in dieser Wiesnsaison dagegen mit federgeschmückten, angeblich sehr "trendigen" Filztrachtenhüten - gerne auch in quietschgrün.

Ein Friseur wirbt mit "O'zopft is'", in der Auslage des Gürtelgeschäfts hängt das Banner "O'gürtelt is'" und das Kosmetikunternehmen bietet Wiesn-Make-up unter dem Motto "O'gschminkt is'".

Auch der Buchladen ist ganz in Weiß und Blau gehalten, das Standardwerk "Bier" wird in allen gängigen Sprachen bereitgehalten. Jetzt heißt es durchhalten. Immerhin: In zwölf Tagen ist alles vorbei.

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Quelle:
SZ vom 23.9.2011
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