Prozesse gegen Neonazi-Gegner:Schlappe für die Staatsanwälte

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Vor einem Jahr haben linke Aktivisten eine rechte Demonstration auf der Sonnenstraße blockiert. Zahlreiche Neonazi-Gegner wurden daraufhin angeklagt. In zwei Verfahren haben die Richter die Staatsanwaltschaft nun aber böse auflaufen lassen.

Von Bernd Kastner

Seit genau einem Jahr beschäftigt die Justiz eine Demonstration, bei der knapp 100 Rechtsradikale durch die Stadt zogen. Und ein Ende der Prozessserie ist nicht in Sicht. Zahlreiche Nazi-Gegner wurden angeklagt, weil sie sich am 21. Januar 2012 auf der Sonnenstraße den Rechtsextremen in den Weg stellten. Immerhin, zwei Verfahren sind jetzt in zweiter Instanz abgeschlossen: einmal mit Freispruch, einmal mit einer Einstellung wegen geringer Schuld. Beide Male machten die Richter am Landgericht klar, dass sie von der Anklage nicht viel halten.

In erster Instanz gab es fast jedes denkbare Urteil: zwei Tage Arrest, Einstellung, Verwarnung, Freispruch, Geldstrafe. Immer wieder lief im Gericht dasselbe Polizei-Video: Beamte wollen die Sonnenstraße frei räumen, um den Neonazis ihre angemeldete Demonstration zu ermöglichen; die Linken wollen genau das verhindern.

Zwei der Nazi-Gegner, eine junge Frau und ein junger Mann, waren vom Amtsgericht freigesprochen worden. In beiden Fällen ging die Staatsanwaltschaft in Berufung - in beiden Fällen signalisierten die Richter am Landgericht deutlich, dass sie die Anklage für wenig aussichtsreich halten. Daraufhin wurde der Freispruch für den Mann rechtskräftig, weil die Staatsanwaltschaft die Berufung kurz vor der Verhandlung zurückgenommen hatte.

Im Fall der jungen Frau hatte die Richterin der zuständigen Staatsanwältin im Gerichtssaal persönlich mitgeteilt, dass sie ziemlich verärgert sei: Als ob die Justiz nichts besseres zu tun habe, als so jemanden zu verfolgen, erklärte die Richterin. Das hätte einen Freispruch erwarten lassen. Dann aber platzte die Verhandlung in letzter Sekunde, weil der Verteidiger an diesem Tag in einem anderen Prozess länger als geplant zu tun hatte. Ehe ein neuer Termin bestimmt wurde, einigten sich Verteidiger und Ankläger auf eine Einstellung in der Causa Sonnenstraße - die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.

Thomas Steinkraus-Koch, Sprecher der Staatsanwaltschaft, betonte, dass seine Behörde verpflichtet sei, tätig zu werden, wenn sie eine strafbare Handlung erkenne. Und das sei das Blockieren einer Demonstration nun mal, egal, wer da marschiere. Weitere Verhandlungen werden folgen: Erst vergangene Woche wurde wieder ein Nazi-Gegner vom Amtsgericht verurteilt. Diesmal ging die Verteidigung in Berufung.

Revision wiederum hat die Staatsanwaltschaft eingelegt, diese richtet sie sich gegen zwei Neonazis. Sie haben bei derselben Demo die Paulchen-Panther-Melodie über Lautsprecher abgespielt. Ob das zu bestrafen ist muss nun das Oberlandesgericht entscheiden, denn die Staatsanwaltschaft akzeptiert den Freispruch des Amtsgerichts für Norman Bordin und einen seiner Kameraden nicht.

Im Abspielen des Liedes sieht die Staatsanwaltschaft eine Billigung von Straftaten, schließlich hatte das Terrortrio des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) mit dieser Melodie sein Bekennervideo zu den Morden unterlegt, was wenige Wochen zuvor bekannt geworden war. In erster Instanz hat die Richterin das Abspielen als geschmacklos und provokant kritisiert, die Angeklagten aber freigesprochen: Sie hätten sich unmittelbar danach verbal vom NSU distanziert, so die Begründung.

© SZ vom 22.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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