Prozess:Zwei Minuten Überfall, neun Jahre Haft

Raubüberfall auf Juwelierladen "F.C. Bauer" in München, 2017

Am Tatort, dem Juweliergeschäft Bauer in Harlaching, konnte die Polizei Blutspuren des Angeklagten sichern.

(Foto: Alessandra Schellnegger)
  • In Harlaching haben fünf Männer einen Juweilierladen ausgeraubt und dabei Angestellte und Kunden mit Pfefferspray verletzt.
  • Bekannt wurde der Fall, weil sich die 82 Jahre alte Seniorchefin den Tätern in den Weg stellte.
  • Die Täter entkamen, doch einer wurde durch Blutspuren am Tatort überführt. Das Landgericht schickt den 34-Jährigen nun lange ins Gefängnis.

Von Susi Wimmer

308 000 Euro binnen 120 Sekunden zu verdienen, "das schafft nicht mal Ronaldo", meint Staatsanwalt Laurent Lafleur. Auf der Anklagebank vor dem Landgericht München I sitzt auch nicht der portugiesische Stürmerstar Christiano R., sondern der Litauer Artiomas T., einer von insgesamt fünf Räubern, die im April 2017 das Juweliergeschäft Bauer in Harlaching brutal überfallen hatten.

"Das war einer der schwersten Fälle, die mir in 35 Jahren Berufserfahrung untergekommen sind", sagt Richter Frank Zimmer und verurteilt den 34-jährigen T. zu neun Jahren Haft. Die von Verteidiger Wilfried Eysell geforderte Unterbringung seines mutmaßlich drogenabhängigen Mandanten in einer Entziehungsanstalt lehnt das Gericht ab.

Der Raubüberfall in Harlaching war nicht nur äußerst brutal, sondern auch skurril. Die Täter hatten zur Tarnung einen schwarzen Basketball dabei und hatten sicher auch nicht damit gerechnet, dass die 82 Jahre alte Senior-Chefin Karola Bauer diesen während des Überfalls packte und ihn einem der Maskierten an den Kopf knallte. Als sie daraufhin mit einer Waffe bedroht wurde und sich niederknien musste, blaffte sie den Bewaffneten an: "Bist Du blöd. Ich bin a alte Frau, was soll der Schmarrn."

Nach Ansicht von Staatsanwalt Lafleur hatten die Männer die Tat detailliert geplant, sich extra einen Juwelierladen nahe der Autobahnauffahrt ausgesucht und kurz zuvor in Ottobrunn Kennzeichen geklaut, um sie an ihr Fluchtfahrzeug zu schrauben. Außerdem beschafften sie sich Pfeffersprays mit dünnem Strahl, damit sie selbst nichts vom Sprühnebel abbekommen konnten. Und sie schweißten und schliffen zwei Hämmer so zurecht, dass die Spitzen massiv und spitz genug waren, um damit auch Sicherheitsglas einschlagen zu können.

Zwei Minuten dauerte der Überfall fast auf die Sekunde genau. Ohne jegliche Vorwarnung sprühten die bewaffneten Täter den sieben Kunden und Geschäftsangehörigen das Pfefferspray in das Gesicht. Laut einer Gutachterin war das Gemisch so gefährlich, dass es auch schwere Bindehautverätzungen hätte verursachen können.

Einige Opfer erlitten Todesangst und fürchteten, mit Säure verätzt worden zu sein. Artiomas T. sprühte und schlug dann Vitrinen ein, dabei brach er sich einen Finger. Und beim Griff in die Auslagen der exklusiven Uhrenmodelle in der Patrick-Philipp-Corner schnitt er sich am eingeschlagenen Glas. Die zurückgebliebenen Blutstropfen reichten aus, um über einen internationalen Datenabgleich die Identität von Artiomas T. zu klären.

Der 34-Jährige schwieg während des ganzen Prozesses zu seinen Mittätern, zum Verbleib der Beute - und erst nach den Plädoyers von Staatsanwalt und Verteidiger, als Richter Zimmer ihn fragt, ob er noch was zu sagen hätte, senkt er den Kopf. Fast flüsternd kommt sein Geständnis: "Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich würde mich gerne bei den Opfern entschuldigen. Es tut mir sehr leid."

In seinem Plädoyer hatte Staatsanwalt Laurent Lafleur scharf die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kritisiert, die besagt, dass schon eine intensive Neigung zu Betäubungsmitteln ausreiche, also gar keine Abhängigkeit vorhanden sein müsse, um Angeklagte statt in Haft zu nehmen in eine Entziehungsanstalt einzuweisen. Auch Artiomas T. hatte gegenüber dem Gerichtsgutachter Jürgen Reiss behauptet, von Spice, synthetischen Cannabinoiden, abhängig zu sein. Und dass er auch bei dem Überfall unter der Droge gestanden habe.

Richter Zimmer erklärte, dass auf den Überwachungsvideos in dem Juwelierladen "von Drogeneinfluss bei der Tat weit und breit nichts zu sehen war". T. habe sich auch bei seinen Aussagen zum Drogenkonsum widersprochen und es sei kein symptomatischer Zusammenhang zwischen Straftat und Drogenkonsum erkennbar. Mit dem Urteil folgte Zimmer nahezu vollständig dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Diese hatte zehn Jahre Haft gefordert.

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