Prozess:"Wie bei Liz Taylor und Richard Burton, eine On-off-Beziehung"

  • Ein Mann soll seine Ex-Freundin eingesperrt und zum Sex gezwungen haben.
  • Das Gericht musste nun die Vergewaltigungsvorwürfe klären.
  • Dem psychisch Kranken konnte bei der kuriosen Verhandlung keine Schuld nachgewiesen werden.

Von Susi Wimmer

Die Anklage wiegt schwer: Der 50 Jahre alte David B. soll im Januar seine Ex-Freundin tagelang in ihrer Wohnung festgehalten, eingesperrt und vergewaltigt haben. Seit Januar ist der psychisch kranke Mann deshalb im Isar-Amper-Klinikum in Haar untergebracht. Als seine 47 Jahre alte ehemalige Freundin zur Aussage vor der dritten großen Strafkammer des Landgerichts München I erscheint, huscht ein Lächeln über seine Lippen. Und sie sagt: "Ich empfinde nach wie vor was für ihn. Er war nie gewalttätig zu mir und hat mir beim Sex auch nicht wehgetan."

Richtig kurios wird es für das Gericht unter dem Vorsitz von Anton Winkler, als auch noch von einer Verlobung der beiden die Rede ist. Am Ende aber erweist sich die als nicht ganz real, ebenso wie die Anschuldigungen von Christine C. Das Gericht kann weder Vergewaltigung noch Freiheitsberaubung nachweisen, David B. verlässt am Abend den Gerichtssaal als freier Mann, es steht ihm sogar eine finanzielle Entschädigung zu.

"Es ist so was, wie bei Liz Taylor und Richard Burton, eine On-off-Beziehung", erzählt der Betreuer von Christine K. Wobei der Vergleich rein äußerlich hinkt. David B. ist ergraut und korpulent, was auch Folge seines erheblichen Alkoholkonsums sein mag. Außerdem leidet er unter eine schizoaffektiven Störung, die sich in Wahnvorstellungen äußert. "Ich hatte religiöse Psychosen", erzählt er vor Gericht.

Er sei in einer Art Sekte aufgewachsen, durfte nicht fernsehen, Radio hören oder Musik spielen. Etwa achtmal in seinem Leben war er stationär in einer psychiatrischen Klinik untergebracht. Was er erzählt, klingt zunächst logisch, doch längere Gedankengänge kann er nicht schlüssig fortführen. Oder er streut Sätze ein wie "möge der liebe Gott uns auf den richtigen Weg bringen".

Gewalt soll im Januar 2016 allerdings im Spiel gewesen sein. Das Paar - oder Nicht-Paar - kennt sich seit etwa zwei Jahren. Anfang des Jahres saß David B. im Gefängnis, weil er eine Geldstrafe nicht bezahlt hatte. Als der seit Längerem arbeitslose, gelernte Dreher entlassen wurde, tauchte er mangels Wohnung bei Christine K. auf. Die blonde Frau litt an einer langjährigen Suchterkrankung, war im Substitutionsprogramm und schluckt diverse Psychopharmaka. Laut Anklage soll sie ihn am 13. Januar aus der Wohnung geworfen haben, weil er auf den Teppich urinierte. Drei Tage später soll er sich gewaltsam Zutritt in ihre Wohnung verschafft und sie eingesperrt haben. Er soll zu einvernehmlichem und erzwungenem Geschlechtsverkehr gekommen sein. Einmal, am 20. Januar, soll er sie mit einem spitzen Gegenstand penetriert haben, woraufhin sie massiv blutete.

Die Frau kann sich nur noch an ihre Wut erinnern

"Es geht um den 20. Januar", sagt Richter Winkler an die Frau gewandt. Sie antwortet: "Was war da? Ich habe keine Ahnung." Dann fängt sie zu weinen an und sagt, sie habe damals so viel Wut empfunden. David B. soll ihren Schmuck und ihre Handys ins Klo geworfen haben, Lebensmittel an die Möbel geschmiert und sie aufs übelste beschimpft haben. Er riss das Telefonkabel aus der Wand, "damit sie nicht mehr Gift bestellen kann, das sie sich immer gespritzt hat", sagt er. An eine Vergewaltigung kann sie sich nicht erinnern. Ihr Betreuer sagt aus, dass er am jenem 20. Januar bei ihr in der Wohnung war. "Sie hat aufgemacht, er war nicht da", berichtet er.

Dann liest Anton Winkler aus einem Brief vor, den sie David B. nach Haar geschickt hat: "Vergiss mich nicht, ich gebe dich nicht her". Und am Ende "I love you, dein Schneeflöckchen". Zu dem Zeitpunkt, im Mai, hielt sich Christine K. selbst aufgrund einer Psychose in der Klinik auf.

Der Staatsanwalt forderte die weitere Unterbringung von David B., doch das Gericht folgte dem Antrag von Rechtsanwalt Uwe Paschertz und ließ den 50-Jährigen frei. Paschertz lieh seinem verdutzten Mandanten Geld, damit der mit der S-Bahn nach Haar fahren und seine Sachen holen konnte. Denn eine Rückfahrt in die Klinik lehnten die Behörden ab.

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