Prozess wegen versuchten Mordes:Taxifahrer soll Kunden wegen 6,50 Euro absichtlich angefahren haben

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Mit einer Puppe stellten Ermittler der Mordkommission im Dezember 2017 nach, wie der Fahrgast von dem Taxi meterweit mitgeschleift wurde. (Foto: Robert Haas)
  • Im Prozess gegen einen Münchner Taxifahrer wegen versuchten Mordes schwieg dieser zunächst zu den Vorwürfen.
  • Kurt L. soll einen Gast, der einen Fahrpreis in Höhe von 6,50 Euro nicht bezahlt haben soll, absichtlich angefahren haben.
  • Das Opfer hat keine Erinnerungen daran, was geschah, und leidet seitdem unter Panikattacken.

Von Andreas Salch

Plötzlich waren sie da: Panikattacken. Sie überkamen den Krankenpfleger Jonas F. ( Name geändert) erst Monate, nachdem er in den frühen Morgenstunden des 15. September vergangenen Jahres auf der Kapuzinerstraße von einem Taxifahrer angeblich absichtlich angefahren worden war. Zuvor sollen sich die beiden Männer heftig gestritten haben. Jonas F. soll einfach ausgestiegen sein, ohne den Fahrpreis von 6,50 Euro bezahlt zu haben. Aus lauter Wut soll der Taxifahrer, der 55-jährige Kurt L., dem Krankenpfleger langsam nachgefahren und ihn mit dem vorderen linken Radlauf seines Toyotas touchiert haben.

Was auf der Kapuzinerstraße an jenem 15. September 2017 gegen 3.40 Uhr genau passierte, damit befasst sich seit Donnerstag die 2. Strafkammer am Landgericht München I. Die Staatsanwaltschaft hat gegen Kurt L. unter anderem Anklage wegen versuchten Mordes erhoben. L. ist drahtig, nicht besonders groß und auffallend blass. Er fuhr nur nachts. Bis zu zehn Stunden. 25 Jahre lang. Zum Auftakt des Prozesses machte er lediglich Angaben zu seiner Person. Zu den Vorwürfen aus der Anklage sagte er kein Wort.

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Den Ermittlungen zufolge geriet Jonas F. ins Stolpern und fiel zu Boden, als ihn Kurt L. anfuhr. Glücklicherweise wurde der Krankenpfleger nicht überrollt. Gleichwohl zog er sich durch den Kontakt mit dem Unterboden des Taxis schwere Verletzungen zu. Der 30-Jährige wurde fünf Meter mitgeschleift. Er erlitt unter anderem ein Schädelhirntrauma sowie eine Fraktur des rechten Schulterblatts. Sein linkes Ohr wurde halb abgerissen, es konnte im Krankenhaus wieder angenäht werden.

Jonas F. hat keinerlei Erinnerung an das, was geschah. Am Abend zuvor hatte er sich mit einem Kumpel in einer Kneipe in der Oberen Weidenstraße in Untergiesing getroffen und an die zwölf Bier getrunken, berichtete er dem Vorsitzenden, Richter Norbert Riedmann. Gegen drei Uhr habe er das Lokal verlassen. Die Luft draußen habe sich wie eine "Frischluftwatschn"angefühlt. "Dann hört die Erinnerung leider auf." Er habe zwar "Bilder im Kopf". Aber ob er "diese Bilder tatsächlich erlebt" habe, könne er nicht mit Sicherheit sagen, erklärte der Krankenpfleger. Wie es dann zu den Panikattacken gekommen sei, wenn er nichts mitbekommen habe, fragte Richter Riedmann. Er leide an einer "traumatischen Belastungsstörung", antwortete der 30-Jährige. Anfang dieses Jahres habe er eine Psychotherapie begonnen und befinde sich nach wie vor in Behandlung. Die Panikattacken sollten "irgendwann wieder aufhören", habe man ihm versichert.

Kurt L. hat sich bei Jonas F. in einem Brief aus der Untersuchungshaft entschuldigt. Ob er ihn gelesen habe, fragte L.s Verteidigerin, Rechtsanwältin Birgit Schwerdt, den Krankenpfleger. Ja, antwortete der, und meinte, er habe den Eindruck, der Angeklagte habe ihm nur geschrieben, "damit es sich strafmildernd auswirkt". Er nehme die Entschuldigung zur Kenntnis. Mehr nicht. Darauf meldete sich Kurt L. zu Wort und sagte zu Jonas F.: "Meine Situation müssen Sie natürlich auch verstehen."

© SZ vom 14.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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