Prozess wegen Geiselnahme:Fast wie ein Amoklauf

Ein 39-jähriger psychisch kranker Mann sitzt wegen Geiselnahme einer Lehrerin eines Planegger Gymnasiums auf der Anklagebank. Der Prozess beginnt unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Andreas Salch

Andreas D., 39, lebt noch bei seinen Eltern und ist ein offenbar psychisch schwer kranker Mensch. Viel mehr wird man über den Mann, der am 23. Juli vergangenen Jahres mit einem Messer bewaffnet in das Lehrerzimmer des Feodor-Lynen-Gymnasiums in Planegg bei München ging und eine Lehrerin zwanzig Minuten lang bedrohte, wohl nie erfahren. Denn die Öffentlichkeit wurde für weite Teile des Prozesses gegen Andreas D., der sich seit Mittwoch vor der 2. Strafkammer am Landgericht München I wegen Geiselnahme verantworten muss, ausgeschlossen.

Da Andreas D. neben einer Haftstrafe auch die Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik droht, ist es nachvollziehbar, dass sich das Gericht zu diesem Schritt entschloss. Auch die Nebenklagevertreterin hatte einen entsprechenden Antrag gestellt. Allerdings zum Schutz ihrer Mandantin, der Lehrerin, die Andreas D. mit seinem Messer bedrohte, weil sie seine Avancen nicht erwidert hatte.

Ungewöhnlich ist indes, dass das Gericht der Vertreterin der Nebenklage ebenso wie der Verteidigerin auch darin folgte, die Öffentlichkeit sogar während der Verlesung der Anklage auszuschließen. Andreas D. hatte der Lehrerin wenige Wochen vor der mutmaßlichen Tat am 23. Juli innerhalb weniger Stunden rund 300 beleidigende E-Mails mit teils sexuellem Inhalt geschrieben.

Auch die Staatsanwaltschaft schloss sich den Anträgen von Verteidigung und Nebenklage an. Der Vorsitzende Richter der 2. Strafkammer hatte darauf zunächst äußerst zurückhaltend reagiert. Immerhin habe man es mit einer Tat zu tun, "die nicht weit weg ist von einem Amoklauf an Schulen", befand Richter Norbert Riedmann.

Mit dem Ausschluss der Öffentlichkeit könnte ein Revisionsgrund geschaffen werden. Während der Geiselnahme waren rund 1000 Schüler des Feodor-Lynen-Gymnasiums in Sicherheit gebracht worden.

Nach rund halbstündiger geheimer Beratung verkündete die Kammer schließlich ihren Beschluss: Der Prozess begann unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Der Beschluss gilt ebenso für die Angaben, die Andreas D. zu seiner Person macht, für die Aussagen einer Reihe von Zeugen sowie für das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen.

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