Süddeutsche Zeitung

Prozess:Viele Millionen, viele Fragen

Angeklagte sollen Geld aus Schließfächern gestohlen haben

Von Susi Wimmer

Die Frau arbeitet in der Bank. Sie liefert das Insiderwissen. Die sieben Männer schmieden einen Plan. Sie gehen arbeitsteilig vor. Gemeinsam wollen sie aus den Schließfächern Geld stehlen. Viel Geld. Denn unten im Keller der Commerzbank am Promenadeplatz schlummern mehrere Millionen einer schwer reichen und geheimnisvollen Russin. Das alles ist der Stoff, aus dem Kinofilme wie "Ocean's Eleven" gewebt sind. Doch nun sitzen vor Richter Gilbert Wolf sieben Angeklagte, denen die Staatsanwaltschaft schweren Bandendiebstahl vorwirft. Keiner der sieben will sich vor der achten Strafkammer am Landgericht München äußern. Ein achter Verdächtiger ist flüchtig.

Es geht um 4 592 000 Euro, die die Bande in der Zeit von Dezember 2017 bis März 2018 in drei Anläufen aus den Schließfächern der Russin geholt haben sollen. Bei der Commerzbank am Promenadeplatz arbeitete eine 58 Jahre alte Angestellte, die ihrem Sohn von der reichen Frau erzählt haben soll, die etliche Millionen, anfangs war sogar von 32 die Rede, in sieben Schließfächern deponiert habe. Daraufhin soll laut Anklage auch der Koch Riccardo I. ein Girokonto bei der Commerzbank eröffnet haben, um wenige Tage später ein Schließfachkonto zu erhalten. Bei der Besichtigung des Schließfachs soll Nazir H., ein pensionierter Busfahrer, die Schließmechanismen ausspioniert haben. Sodann sollen Besart H. und ein weiterer, noch unbekannter Mann, auf den Plan getreten sein. Die Angestellte soll ihnen drei Mal Zutritt in den Geldkeller verschafft haben. Auf unbekannte Art hätten sie dann dort die Fächer 4536, 4553, 4715 und 4626 geknackt, 4,6 Millionen in einen Trolley gepackt und diesen aus der Bank gerollt. Zuvor sollen sie die Schließfächer mit Heißkleber und Klebeband verschlossen haben. Erst im April 2018, mehr als vier Monate nach dem ersten Diebstahl, fielen der Bank die verklebten Schließfächer auf.

"Die Vorwürfe entbehren jeder Grundlage", erklärte Verteidiger Roland Autenrieth am ersten Verhandlungstag. Sein Mandant Riccardo I. habe nur ein Konto für private Zwecke eröffnet. Generell wirft der Fall etliche Fragen auf: Wie kann man die Diebstahlssumme nachweisen? Lagen in den Schließfächern tatsächlich Millionen? Das Geldwäschegesetz verpflichtet deutsche Banken, Einzahlungen ab 15 000 Euro der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zu melden. Gegen die Russin, ihren Sohn sowie die Commerzbank führte die Staatsanwaltschaft Vorermittlungen wegen des Verdachts auf Geldwäsche. Es habe sich aber kein Anfangsverdacht ergeben, so eine Sprecherin. Die Kammer hat 20 Verhandlungstage angesetzt, am Donnerstag geht es weiter.

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SZ vom 15.01.2020
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