Prozess:Versuchte Vergewaltigung

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Angeklagter war wegen ähnlicher Tat gerade auf Hafturlaub

Von Andreas Salch

Sie hatte längst bemerkt, dass ihr jemand folgt. Kerstin L. ( Name geändert) lief kurz vor ein Uhr am Morgen des 17. April vergangenen Jahres auf der Walkürenstraße in Neubiberg. "Der wird doch jetzt nicht etwas versuchen", dachte sich die 28-jährige TV-Redakteurin noch. Dann passierte es: Der Unbekannte, der ihr von der Bushaltestelle an der Schulzstraße aus über die Cramer-Klett-Straße gefolgt war, umklammerte blitzschnell ihren Körper von hinten und hielt ihr mit seiner rechten Hand den Mund zu. Kerstin L. erlitt eine Verletzung an der Oberlippe, wehrte sich aber so heftig, dass es ihr gelang, sich aus der Umklammerung zu befreien. "Ich wollte ,Feuer' schreien, weil dann die Leute eher reagieren als bei ,Hilfe'", sagte die 28-Jährige an diesem Dienstag vor der 9. Strafkammer am Landgericht München I. Schräg links von Kerstin L. sitzt der Malerlehrling Armin H. auf der Anklagebank. Er soll versucht haben, die TV-Redakteurin, die auf dem Nachhauseweg war, zu vergewaltigen. Armin H. befand sich zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Tat auf Hafturlaub.

Der 26-Jährige verbüßt in der Justizvollzugsanstalt Stadelheim eine Haftstrafe wegen versuchter besonders schwerer Vergewaltigung von drei Frauen im November 2012 in Ramersdorf-Perlach. H. wurde hierfür zu vier Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt. "Feuer" hatte Kerstin L. an jenem 17. April vorigen Jahres gar nicht mehr schreien müssen. Armin H. habe von sich aus von ihr abgelassen. "Er war überrascht, dass ich schreie", so die Redakteurin. Der 26-Jährige habe sie nur angestarrt und etwas gestammelt. Kerstin L. erwiderte nur: "Hau bloß ab."Armin H. lief weg.

Der Malerlehrling ließ zum Beginn der Verhandlung über seinen Verteidiger, Rechtsanwalt Harald Baumgärtl, erklären, dass die Vorwürfe aus der Anklage richtig seien. Einige Stunden vor der mutmaßlichen Tat war Armin H. in einem Bordell im Moosfeld. Es war nicht das erste Mal. Eine der Prostituierten dieses Etablissements hatte es ihm angetan. Sie wollte er wieder treffen. Seine Mutter habe ihm für den Bordellbesuch hundert Euro "vorgestreckt". Sie habe gewusst, wofür er das Geld verwenden werde. Doch die Prostituierte sei nicht da gewesen. Er sei dann mit einer anderen Frau auf ein Zimmer, die ihm "nicht so gefallen" habe. Es sei enttäuschend gewesen, so H. Er habe sich geärgert, weil bei ihm "halt nix ging" und er sein Geld "verschwendet" habe. Auf dem Frühlingsfest auf der Theresienwiese versuchte Armin H. anschließend seinen Frust mit einer Maß Bier hinunterzuspülen. Eigentlich hätte er keinen Alkohol trinken dürfen. Erst sei er ein "bissl lustig drauf" gewesen, dann jedoch sei der Ärger wegen des enttäuschenden Erlebnisses im Bordell wieder in ihm hochgestiegen.

Kurz vor ein Uhr morgens war Armin H. zurück in Neubiberg. Als er aus dem Bus stieg, bemerkte er Kerstin L.. Laut Anklage soll er spontan den Entschluss gefasst haben, sie zu überwältigen "und zum Oralverkehr an ihm zu zwingen, da er sie attraktiv fand und kein Geld mehr hatte, um ein Bordell zu besuchen." Als er Kerstin L. nachgelaufen sei, so H., habe er sich im "Zwiespalt" befunden. Er habe in der Haft gelernt, "Frauen nicht als Ventil zu sehen", wenn er frustriert sei. "Das Verlangen war aber größer. Ich war sauer, Mann", sagte H. zu Richter Philipp Stoll. Der Prozess dauert an.

© SZ vom 08.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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