Prozess:Vermintes Gelände

Bund und Kommunen streiten vor Gericht über die Sanierung der Fröttmaninger Heide

Von Julian Raff

Als der Heideflächenverein dem Bund vor elf Jahren ein gut drei Quadratkilometer großes früheres Militärgelände nördlich des Stadtrands abkaufte, betrat er offenbar auch in juristischer Hinsicht vermintes Gelände. 150 Jahre lang wurde die Fröttmaninger Heide als Truppenübungsplatz genutzt; dass sie deshalb und nach zwei Weltkriegen mit giftigen und potenziell explosiven Munitionsresten belastet sein dürfte, war damals natürlich beiden Vertragspartnern klar. Dennoch streiten sie seit vergangenem Jahr vor dem Landgericht München darüber, ob auch das Ausmaß der Risiken klar war, beziehungsweise der nun fällige Aufwand zu ihrer Beseitigung. Der Verein will Schadenersatz - in welcher Höhe, hinge dann von den Kosten der Munitionsräumung ab.

Aktuelle Expertisen und Stichproben hätten "verheerende Ergebnisse mit wirklich extremen Räumszenarien" ans Licht gebracht, so begründete Anwalt Roland Kastl den Anspruch des Vereins. Die vor dem Kauf erstellten Gutachten seien "so falsch, falscher geht es nicht". Der Heideflächenverein ist ein Zusammenschluss von Stadt und Landkreis München mit sechs nördlichen Nachbargemeinden; er plant auf der Fröttmaninger Heide ein großflächiges Naturschutz- und Naherholungsgebiet und lässt das Gelände derzeit stichprobenartig räumen, um ein Konzept für die spätere Gesamtsanierung zu entwickeln. Vor Gericht ging der Verein, als sich 2017 die unerwartet schwere und flächendeckende Bodenbelastung abzeichnete. Da er eine erste Niederlage vor Gericht nicht akzeptierte, trafen sich die Parteien am Freitag zur Nachverhandlung.

Ein Urteil soll am 2. November verkündet werden, es dürfte aber kaum zu Gunsten des Heideflächenvereins ausfallen. Richterin Christina Weitnauer schärfte Anwalt Kastl wiederholt ein, dass sie den Tatbestand der arglistigen Täuschung nicht erfüllt sehe. Nur dieser könne aber einen Anspruch auf Schadenersatz begründen, da der Kaufvertrag weitreichende Haftungsausschlüsse enthalte. Auch legt er - und das ist für die Richterin mit entscheidend - einen mit 1,9 Millionen Euro sehr günstigen Kaufpreis fest, der den erkennbar hohen Risiken entspreche. Der Bund habe ja nicht gesagt: "Alles picobello, ihr könnt da einen Spielplatz draus machen", so fasste die Weitnauer die Ausgangslage zusammen. Zudem, so die Richterin, liege hier kein Wissensvorsprung eines Vertragspartners vor, was für Arglist maßgeblich wäre. Beide Seiten seien sich "auf Augenhöhe begegnet". Die beteiligten Kommunen von München bis Freising hätten ja schließlich ihre Rechtsabteilungen.

Kastl versuchte dennoch, die Fehler der damaligen Gutachter aufzuzeigen. So seien zum Beispiel die Aktivitäten der Alliierten unmittelbar nach 1945 nicht berücksichtigt und Karten mit wenig aussagekräftiger Auflösung verwendet worden. Die Experten hätten nur 0,03 statt der vorgeschriebenen fünf bis zehn Prozent der Flächen untersucht, lautet ein zentraler Vorwurf; Kastl stützt sich dabei auf die Vorgaben einer vom Bund selbst im Jahr 2007 erstellten "Arbeitshilfe" zur Kampfmittelräumung. Für Gegner-Anwalt Hans-Peter Hoh, der die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, vertritt, handelt es sich dabei um eine bloße Empfehlung ohne Gesetzeskraft, die zudem beim Vertragsabschluss noch gar nicht gegolten habe.

Profunde Kenntnis einer exotischen Rechtsmaterie wie der Kampfmittelräumung dürfe man auch von einem Bürgermeister nicht erwarten, mit diesen Worten stellte sich der Vorsitzende des Heide-Vereins, Garchings Rathauschef Dietmar Gruchmann, hinter den Echinger Altbürgermeister Josef Riemensberger, der den Vertrag einst mit aushandelte. Mit dem Hinweis, dass Geschäftskonflikte unterschiedlicher Staatsinstanzen eigentlich nicht vor Zivilgerichte gehören, versuchte Richterin Weitnauer noch einmal vergeblich, beide Seiten zu einem Vergleich zu bewegen. Sie räumte ein, dass es auch dabei einen Verlierer gäbe. Dass der Verein und damit letztlich die Steuerzahler in und um München nun "horrende Kosten" für die Kampfmittelräumung tragen müssen, findet die Juristin "traurig genug" - immerhin bliebe dafür dem Bund der Mehraufwand erspart - so dass die Gesamtlast gleich bleibe.

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