Prozess:Vergabe fehlerhaft: Verwaltungsgericht stoppt Start des Kulturstrands

Beim der Kulturstrand am Vater-Rhein-Brunnen auf der Museumsinsel konnten die Menschen auf den Treppen sitzen und plaudern. Es galt als idealer Standort - doch weil auf der drüberliegenden Brücke die Bagger rollen werden, muss eine neue Heimat her.

So harmonisch war es im vergangenen Jahr. Für dieses Jahr stehen noch einige Entscheidungen aus.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Die Stadt muss den Start der Veranstaltung am Deutschen Museum kurzfristig stoppen.
  • Die Vergabe sei intransparent gewesen, urteilte das Münchner Verwaltungsgericht.
  • Für die Bewerber bedeutet das vor allem eine noch längere Wartezeit.

Von Thomas Anlauf

Das Verwaltungsgericht München hat den Start des diesjährigen Kulturstrands in letzter Minute gestoppt. Die 7. Kammer untersagte der Stadt, der "Urban League GmbH" die Genehmigung für die dreimonatige Veranstaltung am Vater-Rhein-Brunnen auf der Museumsinsel zu erteilen, "bis sie die Auswahlentscheidung nachgebessert hat".

Das Gericht hält nämlich die Bewertung der Bewerber für "nicht schlüssig und nachvollziehbar", wie das Verwaltungsgericht am Dienstagnachmittag mitteilte. Insbesondere bei den Kriterien "Zuverlässigkeit und Bewährtheit des Bewerbers" sowie "Akzeptanz bei den Anwohnern im Stadtviertel" sieht das Gericht eine Verzerrung des Bewertungsergebnisses.

Außerdem seien Unstimmigkeiten bei der Punktevergabe festgestellt worden. Die Stadt hat nun die Möglichkeit, die Auswahlentscheidungen nachzubessern - bis dahin darf sie "insbesondere der Urban League GmbH keine Genehmigung zur Durchführung der Veranstaltung erteilen".

Das Genehmigungsverfahren sei zu kompliziert, sagen die Urbanauten

"Urban League" mit dem Geschäftsführer Dierk Beyer und der Kulturveranstalterin Zehra Spindler hatten sich in diesem Jahr zum zweiten Mal für den Kulturstrand beworben und waren nach dem Kriterienkatalog vom Kreisverwaltungsreferat vor drei Wochen als Sieger ausgerufen worden. Dagegen hatten die unterlegenen "Urbanauten" Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht. Das Vergabeverfahren sei "so offensichtlich skurril in Prozess und Ergebnis" gewesen, dass sie keine andere Wahl sahen, als juristisch gegen die Entscheidung vorzugehen, so Urbanauten-Vorstand Benjamin David.

Die Anwälte der Urbanauten hatten dem Kreisverwaltungsreferat nach Akteneinsicht geschrieben, dass die Punktevergabe in dem Wettbewerb "in weiten Teilen willkürlich verlaufen" sei. Vor mehr als einem Jahrzehnt hatten die Urbanauten den Kulturstand für München entwickelt und bislang immer den Zuschlag für die Veranstaltung erhalten.

"Von uns geht heute ein dringender Appell an die Stadt München, für den Kulturstrand der Urbanauten ein radikal vereinfachtes Genehmigungsverfahren wie in den Anfangsjahren des Projektes zu finden und dem Kunst- und Kulturprojekt langfristige Planungssicherheit zu gewähren", fordern die Urbanauten in einer Presseerklärung.

Das Verfahren sei "schlicht von Jahr zu Jahr mehr und mehr rechtswidrig geworden - und das klar und deutlich und aus vielen Gründen, wie heute das Gericht bestätigt hat".

Die vom KVR als Gewinnerin ausgerufene "Urban League GmbH" steht mit dem Gerichtsbeschluss nun zunächst als Verliererin da und kann ihren Stadtstrand vorerst nicht eröffnen. "Das ist natürlich ein blöder Schwebezustand", sagte Zehra Spindler am Dienstag. Sie habe mit einem derartigen Beschluss des Gerichts "überhaupt nicht gerechnet".

Sollte es nun in diesem Jahr überhaupt keinen Kulturstrand geben, "wäre das sehr, sehr schade", so Spindler. Für diesen Fall kündigt sie an, Schadenersatz zu fordern. Die Kulturveranstalterin, die durch Zwischennutzungsprojekte wie "Puerto Giesing" und "Art Babel" bekannt wurde, ist trotzdem zuversichtlich. Denn das Gericht hat nicht explizit den "Urbanauten" zugesagt, dass sie den Kulturstrand austragen dürfen.

Das KVR gibt sich gelassen

Und auch das Kreisverwaltungsreferat (KVR) gibt sich trotz der Gerichtsschelte wenig beeindruckt. "Damit der Kulturstrand auch im Jahr 2016 stattfinden kann und die Ausrichtung nicht weiter verzögert wird, wird das KVR keine Beschwerde beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof einlegen", teilte KVR-Sprecherin Daniela Schlegel am Dienstagnachmittag mit.

Vielmehr werde die Ordnungsbehörde das Vergabeverfahren in den einzelnen vom Verwaltungsgericht kritisierten Punkten "nachbessern". Nun müssen sowohl von einzelnen Dienststellen in der Stadt, aber auch von drei Bezirksausschüssen erneute Bewertungen eingeholt werden. Das KVR rechnet damit, dass dies bereits in einer bis zwei Wochen der Fall sein wird.

Allerdings findet die nächste Sitzung des betroffenen Bezirksausschusses Isarvorstadt-Ludwigsvorstadt erst in vier Wochen statt. Wer nach einer erneuten Bewertung Ausrichter des diesjährigen Kulturstrandes sein wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch offen. Denn es kann sein, dass die neue Punkteverteilung sich durchaus zugunsten eines der anderen Bewerbers verändert.

Als "riesigen Pfusch" bezeichnet der stellvertretende CSU-Fraktionsvorsitzende Michael Kuffer die Arbeit des KVR in dieser Angelegenheit. Er hatte nach der Akteneinsicht des Vergabekatalogs KVR-Chef Wilfried Blume-Beyerle vergeblich gebeten, mit der Entscheidung nicht an die Öffentlichkeit zu gehen.

Denn in den Akten seien die Mängel offen ersichtlich gewesen. SPD-Fraktionschef Alexander Reissl hält sich mit einer Bewertung hingegen zurück. Das sei ein Verwaltungsverfahren des KVR, damit müsse sich die Behörde auseinandersetzen. Wichtig ist ihm jedoch, dass das Gericht den Urbanauten in einem Punkt nicht recht gegeben hat: dass sie automatisch den Kulturstrand in diesem Sommer veranstalten dürfen.

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