Urteil:Familie verpasst wegen zu viel Geduld den Urlaubsflug

Flughafen Stuttgart

Ein Schalter für ein Reiseziel: Das gibt es schon lange nicht mehr.

(Foto: dpa)
  • Eine Familie hat ihren Flug in die Ferien verpasst, obwohl sie rechtzeitig in der Warteschlange am Abflugschalter war.
  • Der Flug sei nicht nicht gesondert ausgerufen worden, als die Abflugzeit immer näher rückte.
  • Die Reisenden wurden nun entschädigt, müssen aber einen Teil der entstandenen Kosten selbst tragen.

Von Stephan Handel

Eigentlich sind ja die Engländer bekannt dafür, in stoischer Ruhe Schlange zu stehen und zu warten, bis sie an der Reihe sind. Diese geduldige Höflichkeit hätte eine Familie nun fast eine Menge Geld gekostet - wenn sie nicht am Münchner Amtsgericht eine verständige Richterin gefunden hätte.

Die Angelegenheit spielt am Flughafen Leipzig, wurde aber in München verhandelt, weil der beklagte Reiseveranstalter hier ansässig ist. Bei ihm hatte die Familie - Vater, Mutter und zwei Kinder - eine Reise nach Antalya gebucht, elf Tage für 2262 Euro. Das Flugzeug sollte um 14.45 Uhr in Leipzig starten. Die Familie war aber spät dran, genau genommen zu spät, und kam erst um 14.20 Uhr zum Check-in-Schalter. Der Flug ging ohne sie.

In ihrer Klage gab die Klägerin an, die Familie sei zwei Stunden vor Abflug eingetroffen und habe sich in einer Schlange angestellt, die vor insgesamt drei Schaltern der gebuchten Fluglinie gewartet habe. Sie seien nicht gesondert ausgerufen worden, niemand anderer sei in der Schlange nach vorne gegangen, sie seien davon ausgegangen, dass alle Wartenden das gleiche Ziel wie sie gehabt hätten. Falsch gedacht: An den Schaltern wurden auch noch andere Flüge abgefertigt.

Die Fluglinie behauptete, etwa eine Stunde vor dem Abflug nach Antalya sei ein Mitarbeiter an der Schlange entlang gegangen und habe mehrmals laut gerufen, dass die Passagiere für den Antalya-Flug nach vorne kommen sollten, damit sie vor den anderen abgefertigt werden könnten. Die Kläger müssten entweder zu spät oder unaufmerksam gewesen sein.

Das reichte aber der Münchner Richterin nicht: "Es ist davon auszugehen", heißt es im Urteil, "dass die wartenden Personen in der Schlange am Check-In-Schalter sich auch miteinander unterhalten, während sie warten, und dass deshalb ein gewisser Geräuschpegel herrscht." Und weiter: "Die Fluggesellschaft hätte entweder durch eine Durchsage per Lautsprecher oder durch ein Ansprechen aller Wartenden in der Schlange sicherstellen müssen, dass alle Reisenden die Information erhalten."

Die Kläger erhielten laut Urteil gut 200 Euro als Minderung auf den Reisepreis, das entspricht den Kosten für einen Tag. Noch einmal so viel wurde ihnen als Ersatz für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit zugesprochen. Die Mehrkosten für den Ersatzflug in Höhe von fast 900 Euro muss die Familie aber zur Hälfte selbst tragen - denn ganz schuldlos sei sie nicht: "Dem Gericht erscheint es als grobe Sorgfaltspflichtverletzung in eigenen Angelegenheiten, sich sorglos in eine Warteschlange zu stellen und sehenden Auges den gebuchten Flug zu verpassen, ohne auch nur einmal eine Nachfrage zu stellen." Wir sind ja hier nicht in England.

Das Urteil ist rechtskräftig (AZ:154 C 2636/18).

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