Süddeutsche Zeitung

Prozess:"Und dafür sitzen Sie im Gefängnis?"

Angeklagter soll Betrügern für fünf Prozent Provision geholfen haben

Von Imke Plesch

"Sie haben als Asylbewerber doch ein Bett, Essen, Kleidung und Taschengeld bekommen, wozu brauchten sie dann noch mehr Geld?", fragt der Vorsitzende Richter Frank Zimmer am Landgericht München I den Angeklagten Gideon O. Der nach eigenen Angaben 24 Jahre alte Nigerianer, der zuletzt im oberbayerischen Zangberg untergebracht war, ist wegen Geldwäsche in mehr als 40 Fällen sowie mehrfacher Urkundenfälschung angeklagt. Für die MVG-Monatskarte, erklärt O., und für seine Handy-SIM-Karte. Er habe einfach unbedingt arbeiten und selbst Geld verdienen wollen, sagt der Mann, der bereits seit Februar 2018 in Untersuchungshaft sitzt.

Mit ihm angeklagt sind der 30-jährige Nigerianer Thomas B., die 26-jährige Togolesin Constancia A. und die 23-jährige Deutsche Leah B. Mit deren Hilfe soll O. mehr als 360 000 Euro aus Internetbetrügereien von unbekannten Hintermännern empfangen und weitergeleitet haben. Diese Hintermänner hatten ihre Opfer meist über Facebook kontaktiert und um Geld gebeten, unter anderem für Zollgebühren für Pakete mit Schmuck oder Wertsachen, die den Opfern angeblich zugestellt werden sollten. Teilweise fälschten die Betrüger auch Rechnungen. O. agierte laut Anklage als Mittelsmann, der das Geld, oft mit gefälschten Ausweisen, von den Konten der drei Mitangeklagten sowie weiterer Personen abhob und an die Drahtzieher weiterleitete. Er selbst soll die Mitangeklagten angeworben haben, um deren Konten zu benutzen.

Beim Prozessbeginn am Montag holt O. weit aus und beschreibt seine Reise von Nigeria bis nach Deutschland. 2014 habe er sein Heimatland verlassen und sei nach Istanbul geflogen, weil ihm ein Mann in Nigeria versprochen habe, ihn als Profifußballer an einen europäischen Klub zu vermitteln. Doch als er in Istanbul ankam, sei der Mann verschwunden, berichtet er. Über das Mittelmeer und die Balkanroute sei er im September 2015 nach München gekommen, wo er Asyl beantragte. In einem Wettbüro habe er dann einen Mann kennengelernt, der ihm die Geldgeschäfte vorgeschlagen und gefälschte Ausweise verschafft habe. "Ist es in Nigeria auch strafbar, mit einem gefälschten Ausweis zur Bank zu gehen?", fragt Richter Zimmer. "Ich weiß es nicht, ich habe dort nie Kontakt mit einer Bank gehabt", sagt O. Sein Anwalt habe ihm erklärt, wie schlimm es sei, was er getan habe. Fünf Prozent Provision habe er pro Vorgang erhalten. "Nur fünf Prozent?", fragt der Richter nach. "Und dafür haben Sie das Hauptrisiko auf sich genommen und sitzen jetzt im Gefängnis?" Der Prozess wird an diesem Dienstag fortgesetzt.

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Quelle:
SZ vom 19.03.2019
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