Prozess um Westparkmörder:Streit um Sicherungsverwahrung

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Gorazd B. hat 1993 einen Münchner Architekten mit zwölf Messerstichen ermordet. Der Staatsanwalt hält ihn für "anhaltend gefährlich" - und stellt Befangenheitsantrag gegen drei Richter.

Andreas Salch

Vor dem Landgericht München I hat unter strengen Sicherheitsvorkehrungen der Prozess um die nachträgliche Sicherungsverwahrung des sogenannten Westparkmörders Gorazd B. begonnen. Laut Urteil hat der 35-Jährige im Oktober 1993 "aus Mordlust" den Architekten Konrad H. mit einem Butterflymesser nachts im Westpark erstochen.

Er hat im Oktober 1993 Münchner Architekten im Westpark aus purer Mordlust mit zwölf Messerstichen umgebracht: Gorazd B. Die Staatsanwaltschaft hält ihn nach seiner Haft immer noch für gefährlich. (Foto: picture-alliance / dpa)

Im Mai 2003 wurde der zur Tatzeit 18-Jährige dafür zu zehn Jahren Jugendstrafe verurteilt. Damit endete einer der spektakulärsten und langwierigsten Prozesse in der Münchner Justizgeschichte. Zuvor hatte der Bundesgerichtshof in Karlsruhe zwei Urteile des Landgerichts München I aus den Jahren 1999 und 2001 aufgehiben. Gorazd B. hatte die Tat immer wieder bestritten.

Im Frühjahr vergangenen Jahres hätte der 35-Jährige unter Anrechnung eines Teils der Untersuchungshaft eigentlich freikommen sollen. Doch für die Münchner Staatsanwaltschaft stellt B. nach wie vor eine Gefahr für die Allgemeinheit dar. Aus diesem Grund stellte sie den Antrag auf nachträgliche Sicherungsverwahrung. Gorazd. B. soll bleiben, wo er ist: hinter Gittern.

In einem Brief an einen Mitgefangenen, den die Staatsanwaltschaft abgefangen hat, soll der 35-Jährige den ermordeten Architekten H. als "ein Stück totes deutsches Fleisch" bezeichnen, mit dem er "nichts zu tun" habe. Diese Formulierungen und das oftmals aggressive Verhalten B.s während seiner Haft sind für die Staatsanwaltschaft Indizien für die Gefährlichkeit, die von dem 35-Jährigen nach wie vor ausgehe.

Die Richter der 10. Strafkammer, vor denen sich Gorazd B. seit Montag verantworten muss, schätzten dessen "Gefährdungspotenzial" jedoch anders ein. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft stellte deshalb einen Befangenheitsantrag gegen die drei Berufsrichter der Kammer. Sie hatten zweimal einen Beschluss zur einstweiligen Unterbringung B.s nach der Haft aufgehoben. Das Oberlandesgericht nannte diese Vorgehensweise "willkürlich". Über den Antrag der Staatsanwaltschaft muss nun erst entschieden werden.

Gorazd B. sagte am ersten Verhandlungstag kein einziges Wort. Als der Vorsitzende Richter Stephan Hock ihn fragte, ob er seine Personalien richtig verlesen habe, nickte der kahlköpfige Bauarbeiter, der in der blauen Anstaltskleidung auf der Anklagebank Platz nahm. Danach verlasen die Richter verschiedene Akten sowie das Gutachten eines Gerichtspsychiaters, der B. im April 2010 untersucht hatte. Die Expertise bescheinigt dem 35-Jährigen, der unter anderem wegen versuchten Totschlags vorbestraft ist, eine "anhaltend hohe Gefährlichkeit".

Mit der Anordnung der Sicherungsverwahrung hat die Justiz die Möglichkeit, einen Verurteilten, von dem zu befürchten ist, dass er erneut Straftaten begehen könnte, auch nach Verbüßung der Haft hinter Gittern zu "verwahren". Die Sicherungsverwahrung ist die ultima ratio im deutschen Strafrecht - und sehr umstritten. Den Richtern am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geht sie entschieden zu weit. Sie sind der Überzeugung, dass diese "Maßregel zur Sicherung und Besserung" in Wirklichkeit eine nachträgliche verhängte Strafe sei.

© SZ vom 29.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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