Prozess um versuchte Erpressung:Angeklagter erspart Hoeneß Auftritt vor Gericht

  • Er soll von Uli Hoeneß 215.000 Euro gefordert haben - sonst werde dessen Haftzeit "kein Zuckerschlecken": Seit diesem Montag muss sich Thomas S. wegen versuchter Erpressung vor dem Landgericht München II verantworten.
  • Gleich zu Beginn legt Thomas S. ein Geständnis ab. Damit muss Uli Hoeneß nicht vor Gericht aussagen.
  • Ein Polizist im Zeugenstand erzählt, wie hilflos der Erpresserbrief Uli Hoeneß und seine Frau gemacht habe. Und er berichtet von zwei weiteren Erpresserbriefen und einem Drohanruf bei Hoeneß' Sohn.

Aus dem Gericht berichtet Anna Fischhaber

Hoeneß wurde offenbar mehrmals erpresst

Uli Hoeneß hatte Schlafstörungen, und er hat sich Sorgen um seine Frau und seine Familie gemacht. Es ist nicht Hoeneß selbst, der das erzählt, sondern ein Polizist. Der Beamte tritt als Zeuge auf im Prozess gegen einen Mann, der versucht haben soll, diesen zu erpressen - kurz bevor der ehemalige Präsident des FC Bayern wegen Steuerhinterziehung ins Gefängnis musste. "Wenn ich nicht mehr da hin, kann ich den Schutz meiner Familie nicht mehr gewährleisten", hat Hoeneß nach Aussage des Polizisten gesagt - der Fußballmanager habe von "einem Gefühl der Hilflosigkeit" gesprochen. Auch Hoeneß' Frau, die den Erpresserbrief bei der Polizei abgegeben hat, habe "sich persönlich bedroht gefühlt".

Seit diesem Montag muss sich der mutmaßliche Briefschreiber Thomas S. vor dem Landgericht München II verantworten. Gleich zu Beginn legt der 51-Jährige ein Geständnis ab: Er habe Hoeneß mit Ärger im Gefängnis gedroht, wenn dieser nicht 215 000 Euro bezahle. Die Zeit in Haft werde sonst "kein Zuckerschlecken", hieß es in dem Brief, der mit "Mister X" unterschrieben war.

Doch offenbar war das nicht der einzige Erpressungsversuch. Der Polizeibeamte berichtet von einem Drohanruf bei Hoeneß' Sohn in Nürnberg. Auch dieser Erpresser forderte im Mai Geld für Hafterleichterungen. Thomas S. streitet jedoch ab, der Anrufer gewesen zu sein. Der Polizist berichtet zudem von zwei weiteren Erpresserschreiben nach der Festnahme des Angeklagten. Mehr will er dazu wegen laufender Ermittlungen nicht sagen.

"Ich befand mich in einer absolut verzweifelten Lage"

Am Vormittag hatte Thomas S. ausgesagt. Der 51-Jährige ist klein und schmal, er hat graue Haare und trägt eine Brille. Bedrohlich sieht er nicht aus. Uli Hoeneß ist nicht erschienen. "Die Eheleute Hoeneß verzichten aus gutem Grund auf die Nebenklage", hatte ihr Anwalt Steffen Ufer auf SZ-Anfrage vor dem Prozess erklärt. "Sie wollen öffentliche Auftritte vermeiden." Hoeneß war ursprünglich für Mittwoch als Zeuge geladen. Das Geständnis von Thomas S. hat ihm und seiner Frau den Auftritt aber erspart. Am Nachmittag hob der Richter mit Einverständnis aller Prozessbeteiligten die Vorladung auf.

"Ich befand mich in einer absolut verzweifelten Lage", heißt es in der Erklärung, die der Anwalt von Thomas S. vorliest. Die Rede ist von einer chronischen Erkrankung, von Schulden und Pfändungen bei seiner Lebenspartnerin. Inzwischen läuft ein Insolvenzverfahren über mehr als 300 000 Euro. Zuletzt hatte der Diabetiker keine Krankenversicherung mehr.

Den Hoeneß-Prozess habe Thomas S. in den Medien verfolgt, erklärt der Anwalt. Die Strafe von dreieinhalb Jahren sei ihm angesichts der Summen und verglichen mit seinen eigenen Haftstrafen zu gering vorgekommen. Thomas S. war wegen Betrugs in Höhe von 220 000 Mark einst zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Die 215 000 Euro habe er willkürlich gewählt, er habe nicht gedacht, das Geld zu bekommen. "Es war eher wie die Aufgabe eines Lottoscheins", sagt der Verteidiger.

Der Erpresser gibt sich fürsorglich

Dann wird vor Gericht der Erpresserbrief vorgelesen. "Mister X" gibt zunächst Tipps für den Haftaufenthalt. "Sie werden sehr oft allein sein", schreibt er etwa. Der Erpresser erklärt Hoeneß, dass dieser sich eine Arbeit suchen solle, wie viel er verdienen werde und was er sich dafür im Gefängnis kaufen könne.

Er erklärt, wie Besuche genehmigt werden und man an einen Fernseher kommt. Er nennt sogar die richtigen Ansprechpartner. Und er erklärt, wie Hoeneß Geld in den Knast schmuggeln könnte ("ein wenig Schwarzgeld in den Hintern stecken"). Erst dann folgen die Drohung und die Forderung nach Geld. Er sei kriminell, aber fair. "Ich wünsche Ihnen und mir alles Gute" - heißt es am Ende.

Seit der versuchten Erpressung wird Hoeneß abgeschirmt

Hoeneß wird seit seinem Haftantritt am 2. Juni in Landsberg von anderen Gefangenen weitgehend abgeschirmt - nach der versuchten Erpressung soll er geschützt werden. Auch wenn ein Polizist vor Gericht erklärt: Es gebe keine Hinweise auf Mittäter oder darauf, dass Thomas S. wirklich Kontakt ins Gefängnis hat.

Der Richter will wissen, was das "wir" im Brief bedeutet. "Sonst hätte er mich noch weniger ernst genommen", sagt Thomas S. Und was meinte er mit "kein Zuckerschlecken"? Auch dass Hoeneß zusammengeschlagen werde. Der Angeklagte verneint. Eher dass er weniger Freigänge bekommen werde. Die Neugierde habe ihn schließlich zu dem Mülleimer getrieben, wo Hoeneß das Geld abliefern sollte: "Ich war konsterniert, dass da wirklich eine Tüte lag", sagt er. Der Angeklagte drückt sich sehr gewählt aus.

Hoeneß soll in den Landkreis Starnberg verlegt werden

Bei der Geldübergabe wurde der mutmaßliche Erpresser schließlich gefasst - die Polizei schnappte ihn auf dem Rad. Thomas S. wurde verletzt, er erzählt von Schürfwunden und von einer gebrochenen Schulter. Er habe noch in derselben Nacht ein Geständnis abgelegt und sich später bei der Familie von Hoeneß per Brief entschuldigt. Eine Antwort habe er nie bekommen. "Wir haben die Entschuldigung zur Kenntnis genommen", heißt es in einer Aussage des Ex-Bayernbosses, die später verlesen wird. "Aber das für mich ist das kein Kavaliersdelikt."

Hoeneß sitzt derzeit noch in Landsberg ein. Im Januar soll er nach SZ-Informationen in die Freigängereinrichtung Rothenfeld im Landkreis Starnberg verlegt werden. Er kann dann tagsüber in der Jugendabteilung des FC Bayern arbeiten, was sein ausdrücklicher Wunsch ist.

Thomas S. drohen nun fünf Jahre Haft. Es wäre nicht der erste Gefängnisaufenthalt für ihn. Der 51-Jährige hat bereits elf Eintragungen im Bundeszentralregister - unter anderem wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort, Unterschlagung, Raub, Betrug und immer wieder wegen Fahrens ohne Führerschein. Das Urteil im Fall der Hoeneß-Erpressung könnte bereits am Dienstag fallen.

Mehr zu dem Fall und zu Uli Hoeneß lesen Sie in der Montagsausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 15. Dezember oder in der digitalen Ausgabe auf dem Smartphone oder Tablet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: