Süddeutsche Zeitung

Prozess um Tote im Kapuzinerhölzl:Mord ohne Zeugen

Lesezeit: 2 min

Von Christian Rost

Über Nacht verschwand am 12. März 2013 eine Mutter von zwei kleinen Kindern aus ihrer Pasinger Wohnung. Mehr als ein Jahr lang gab es keine Spur von der damals 36-jährigen Daniela K. Dann wurde ihre Leiche verscharrt im Kapuzinerhölzl gefunden. Ihr Lebensgefährte und Vater ihrer Kinder soll sie heimtückisch ermordet haben, weil sie sich von ihm trennen wollte. Bülent A. soll dafür lebenslang in Haft: Staatsanwältin Nicole Selzam forderte am Dienstag auch, die besondere Schwere der Schuld festzustellen, damit A. nicht nach 15 Jahren Haft vorzeitig entlassen werden kann. Die Verteidiger verwiesen auf den Mangel an objektiven Beweisen und verlangten einen Freispruch für den 44-jährigen Angeklagten.

Der Mann war nur wenige Tage nach dem Verschwinden seiner Lebensgefährtin unter Mordverdacht geraten und festgenommen worden. Die Staatsanwaltschaft wollte ihm schon den Prozess machen, als es noch keinen Hinweis auf den Verbleib von Daniela K. gab. Ehe jedoch das Verfahren um einen Mord ohne Leiche am Schwurgericht begann, meldete ein anonymer Hinweisgeber den Fund einer Toten in einer Baumkuhle im Kapuzinerhölzl.

DNA-Tests bestätigten, dass es sich um die Vermisste handelte. Auch weil sich vermutlich Tiere an dem Leichnam zu schaffen gemacht haben, blieben nach der Obduktion Fragen zur Todesursache offen. Ein Rechtsmediziner konnte nurmehr Frakturen im Gesicht des Opfers feststellen. Für Anklägerin Selzam stammten sie von drei heftigen Faustschlägen. Massive innere Blutungen seien die Folge gewesen, Daniela K. sei an ihrem Blut erstickt, so die Staatsanwältin. Bülent A. hat sie danach mit dem Auto in den Wald gebracht und notdürftig verscharrt.

Worauf die Anklage basiert

Die Anklage stützt sich auf eine Reihe von Indizien, weshalb niemand anderer als A. als Täter infrage komme. Er sei egozentrisch, bequem und unbeweglich, attestierte ihm Selzam, weshalb er es nicht habe akzeptieren wollen, dass sich Daniela K. nach 17 Jahren von ihm trennen wollte. Sie hatte bereits seit mehreren Monaten einen neuen Freund, den sie regelmäßig traf.

Mit Suiziddrohungen und der Ankündigung, ihr die Kinder wegzunehmen, habe der Angeklagte dennoch bis zuletzt versucht, sie umzustimmen. Daniela K. habe aber ein neues Leben beginnen wollen und Bülent A. das auch am Tattag noch einmal verdeutlicht, so Selzam. Darauf habe er brutal auf sie eingeschlagen - Nachbarn hörten Hilferufe - und ihren Tod in Kauf genommen. Binnen Minuten sei die Frau gestorben. Dann habe er die Tote weggeschafft, während die Kinder schliefen.

Wie Bülent A. auf das Verschwinden reagierte

Nach der Tat sei Bülent A. der einzige gewesen, der sich keine Sorgen um Daniela K. gemacht habe. Und er sei der einzige mit einem Motiv. Bekannten habe er erzählt, sie sei verreist, bei einer Freundin oder mit einem anderen Mann durchgebrannt. Zeugen waren sich aber sicher: Daniela K. hätte ihre Kinder niemals allein gelassen. Bereits am Tag nach dem Verschwinden seiner Lebensgefährtin brachte A. die heute vier und sieben Jahre alten Kinder zu seinen Eltern.

Er zog aus der Pasinger Wohnung aus und schaffte laut Selzam noch eilig ein Sofa auf den Sperrmüll, auf dem sich vermutlich Blutspuren befunden hätten. In der Wohnung konnte die Polizei keine Blutspuren finden. Die beiden Nebenklageanwälte, die die Eltern und Geschwister des Opfers vertreten, forderten eine "gerechte Strafe" für Bülent A.

Die Verteidiger Klaus Woryna und Alexander Eckstein verlangten einen Freispruch. Woryna nannte die Ausführungen der Staatsanwältin "Spekulation". Tatsächlich gebe es keine unmittelbaren Tatzeugen und Spuren. Nicht einmal die Todesursache sei bekannt, so der Anwalt. Das Urteil wird am 21. Mai verkündet.

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SZ vom 13.05.2015
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