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Prozess um Schwarzfahrer:Bekennerschild schützt vor Strafe nicht

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Obwohl er mit der Aufschrift "Ich fahre schwarz" in der S-Bahn saß, wird ein Gilchinger wegen Leistungserschleichung verurteilt. Die Begründung des Gerichts: Er hätte seinen Vorsatz schon vor dem Einstieg melden müssen.

Wer sich demonstrativ mit einem Schild "Ich fahre schwarz" in die S-Bahn setzt, entgeht nicht einer Strafverfolgung wegen Leistungserschleichung. Diese Erfahrung musste gestern ein 35-jähriger Gilchinger vor dem Starnberger Amtsgericht machen, der aus politischen Motiven keine Fahrkarte löste, in Argelsried erwischt wurde und dann gegen einen Strafbefehl über 15 Tagessätze Einspruch eingelegt hatte. Am Ende der Verhandlung, die von großem Medieninteresse begleitet wurde, erhöhte Richterin Christine Conrad das Strafmaß auf 20 Tagessätze à 25 Euro, weil sich der Angeklagte nicht geständig oder einsichtig zeigte.

Ein Pulk aus Fotografen und ein Kameramann waren zu der Verhandlung gekommen: Das Presseaufgebot stand in krassem Gegensatz zum angerichteten Schaden: 5,20 Euro waren dem Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) entgangen, weil der Gilchinger am 19. September 2013 die S 8 auf dem Heimweg von München benutzte, ohne zu bezahlen.

Eigenwillige Argumentation des Angeklagten

Der 34-jährige Gilchinger, der bei einem Unfall den linken Arm verloren hat, bemühte sich vor Gericht, politische Motive für seine Tat vorzutragen und argumentierte mit überlasteten Strafgerichten und überfüllten Gefängnissen. Conrad konnte darin keinen Sachbezug zum Verfahren sehen: "Bei Ihnen steht eine Freiheitsstrafe nicht im Raum."

Zur Sache machte der Angeklagte keine Angaben, selbst auf die Frage des Staatsanwalts: "Was wollten Sie mit dem Schild erreichen?" kam nur: "Ich sag' dazu nichts". Wiederholt aber äußerte der Gilchinger die Überzeugung, keine Erschleichung begangen zu haben: "Ich habe einen Zettel mit der gut leserlichen Aufschrift ,Ich fahre schwarz' für alle sichtbar getragen." Das Gericht stellte jedoch klar, dass er diese Absicht "nicht der richtigen Person kundgetan" habe, so die Richterin: Er hätte seinen Zettel "vor Antritt der konkreten Fahrt einem Entscheidungsträger unterbreiten müssen".

Schwarzfahren schlecht für die Allgemeinheit

Zugführer oder Kontrolleure hätten dann die Möglichkeit gehabt, gegebenenfalls die Leistung und die Mitfahrt zu verweigern. Mit dem Einstieg aber habe der Angeklagte dem Vertragspartner keine Wahl gelassen. Am Ende gab auch Conrad ihre Meinung kund: Schwarzfahren mindere die Einnahmen des MVV und führe so letztendlich zu Fahrpreiserhöhungen für die übrigen Kunden oder höheren Kosten für die Allgemeinheit.

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Quelle:
SZ vom 27.11.2014/arm
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