Prozess um Schadenersatz:Urlaub zum Kotzen

  • Gleich in der ersten Nacht erkrankt ein Paar im Urlaub - schon zuvor habe im Hotel ein Virus grassiert.
  • Vom Münchner Reiseveranstalter verlangen sie den gesamten Reisepreis zurück und eine Entschädigung in gleicher Höhe wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit sowie Schmerzensgeld, insgesamt 2176 Euro.
  • Für einen "Anscheinsbeweis" waren dem Richter zufolge aber zu wenig Gäste erkrankt, 8,75 statt der nötigen zehn Prozent.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Erbrechen, Durchfall, Magenkrämpfe statt griechischem Wein - so hatten sich ein 27-Jähriger und seine Lebensgefährtin die schönsten Tage des Jahres in einem hochklassigen Hotel auf Rhodos nicht vorgestellt. In der Herberge, nach Landeskategorie immerhin mit 4,5 Sternen bewertet, habe ein Norovirus grassiert, sagen sie. Das Paar verlangte deshalb vom Münchner Reiseveranstalter den gesamten Reisepreis zurück und eine Entschädigung in gleicher Höhe wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit sowie Schmerzensgeld, insgesamt 2176 Euro. Der Fall kam vor das Münchner Amtsgericht. Doch der Richter schüttelte den Kopf: Die Quote der erkrankten Gäste war um Haaresbreite zu gering für einen "Anscheinsbeweis".

Die achttägige Flugpauschalreise nach Rhodos im Mai 2014 hatte pro Person 954 Euro gekostet. Das Hotel war bei Ankunft des Paares mit 1600 Gästen belegt. Gleich in der ersten Nacht wurden der 27-Jährige und seine Freundin schwer krank: pausenloses Erbrechen, Durchfall, Schwindel, Kopfschmerzen, Krämpfe im Unterbauch, Schüttelfrost und Fieber. Sie mussten einige Tage im Bett liegen und sind dann zwei Tage früher abgereist. Die Rechnung für ihre erlittene Unbill präsentierten sie dann dem Reiseveranstalter.

Im Hotel habe schon seit Anfang Mai der Magen-Darm-Virus grassiert, sagten sie. Später vor Gericht schilderten sie ekelhafte Zustände: Vor den Hotelzimmern hätten sich schmutzige Bettlaken und Handtücher mit Erbrochenem gestapelt. Hotelgäste und Kinder hätten sich auf den Gängen oder mitten im Restaurant übergeben müssen. "Mindestens 476 Personen hatte der Virus erwischt", hätten sie ermitteln können. Als der Reiseveranstalter die Rechnung über insgesamt 2176 Euro bekam, ging er der Sache nach. Die beauftragten staatlich zertifizierten Forschungsstätten hätten Proben der Nahrungsmittel sowie des Leitungswassers, der Getränkeautomaten, der Eiswürfelbereiter, der Eismaschine sowie des Poolwassers entnommen und auf etwaige Krankheitserreger untersucht. Das Fazit lautete: "Sämtliche Proben sind negativ verlaufen."

"Die Erkrankung ist nur dann ein Reisemangel, wenn die Ursache im Verantwortungsbereich des Reiseunternehmens liegt", sagte der Richter. Er zog allein aufgrund der Inkubationszeit in Zweifel, dass sich das Paar im Hotel angesteckt habe. Es bestehe eine Vielzahl von Ansteckungsmöglichkeiten, sagte er: Zum Beispiel beim Kontakt mit anderen Personen auf der Reise oder aufgrund von verunreinigtem Meerwasser am Strand. "Eine Infektion stellt sich insoweit als Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos dar", erklärte er die Rechtslage.

Der Richter verwies auf eine Grundsatzentscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf: "Von einer Vielzahl von Gästen, welche an denselben Krankheitssymptomen leiden, kann dann nicht mehr gesprochen werden, wenn weniger als zehn Prozent der Hotelgäste erkrankt sind."

Die Berechnungsgrundlage des klagenden Paares sei nicht korrekt: "Es geht nicht an, alle erkrankten Gäste über einen Monat zusammenzuzählen und sie in das Verhältnis zur Zahl der täglich anwesenden Hotelgäste von 1600 zu setzen, vielmehr wäre das Verhältnis zu der über einen Monat anwesend gewesenen Gesamtzahl der Gäste zu ermitteln." Nach Feststellungen des Richters waren zum fraglichen Zeitpunkt höchstens 140 von 1600 vom Norovirus befallen - also "nur" 8,75 Prozent. "In diesem Fall scheidet ein Anscheinsbeweis aus", urteilte der Amtsrichter und wies die Klage ab.

Das Urteil (Az.: 283 C 9/15) ist rechtskräftig.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: