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Prozess um Schadenersatz:Bauarbeiter verklagt die Stadt wegen kaputten Autos

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Von Ekkehard Müller-Jentsch

Sturmtief Niklas tobte sich ziemlich genau vor einem Jahr über München aus. Mit den Nachwehen sind Versicherungen und Gerichte immer noch beschäftigt. So wie im Falle eines Münchner Bauarbeiters, dessen kleiner Toyota von einem umstürzenden Baum zertrümmert wurde. Auch wenn das Auto gerade noch 2000 Euro wert war, stellt der Totalschaden für den Mann einen schweren finanziellen Verlust dar. Er hat die Stadt verklagt: Seiner Meinung nach war der Baum schon morsch und die Kommune habe ihre Verkehrssicherungspflicht vernachlässigt. Am Mittwoch wurde vor der Amtshaftungskammer am Landgericht München I verhandelt.

Der Orkan Niklas war am 31. März 2015 mit Spitzengeschwindigkeiten von mehr als 190 Stundenkilometern über die Stadt gefegt, hatte Bäume umgerissen, Lastwagen umgekippt und Dächer abgedeckt - mehrere Menschen wurden verletzt. Die Bahn stellte ihren Fernverkehr zeitweilig komplett ein, sogar der Münchner Hauptbahnhof musste nachmittags wegen Orkanschäden geräumt werden.

Der auf einer Baustelle in Sendling beschäftigte Arbeiter hatte wegen der Sturmböen seinen Toyota Yaris extra am Eichendorffplatz abgestellt und nicht, wie sonst, unter dem Baugerüst an seinem nahegelegenen Arbeitsplatz. Pech für ihn: Das Gerüst erwies sich als stabil, doch die Kastanie, unter der er geparkt hatte, kippte um und knallte auf den vorderen Teil des Kleinwagens. "Wirtschaftlicher Totalschaden", stellte später ein Sachverständiger fest. Mit Nutzungsausfall und Gutachten belaufen sich die Kosten auf 2827 Euro.

Kastanie hielt dem Winddruck nicht stand

Rechtsanwalt Philip Frenzel meinte nun in der Verhandlung, dass der 30 bis 40 Jahre alte Baum mutmaßlich morsch gewesen sei. Ein wichtiges Indiz dafür ist seiner Meinung nach, dass die Stadt schon unmittelbar nach dem Sturm auch die direkt neben dem umgekippten Baum stehende Kastanie gefällt habe.

Die Stadt lehnt jede Schadensersatzzahlung ab. Geschulte Mitarbeiter hätten die Bäume erst zwei Wochen vor dem Sturm kontrolliert und für okay befunden. Das Baum-Unglück sei somit nicht vorhersehbar gewesen, es handle sich um einen sogenannten Grünbruch - verursacht allein durch den Winddruck. Die Stadt verweist auf die obergerichtliche Rechtsprechung: Eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liege nur dann vor, wenn Anzeichen verkannt oder übersehen worden seien - das sei hier nicht der Fall.

Das Gericht wird nun einen Sachverständigen beauftragen, anhand von Fotos die umgestürzte Kastanie zu begutachten. Erst dann wird der Prozess fortgesetzt.

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Quelle:
SZ vom 28.04.2016
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