Prozess um Mordfall Böhringer:Anwälte attackieren Richter

Die Richter hätten den Angeklagten Benedikt T. längst vorverurteilt, meinen seine Verteidiger. Das Rätsel um die DNS-Spur an einem Glas bleibt weiter ungelöst.

Alexander Krug

Im Mordfall Charlotte Böhringer hat die Verteidigung am Freitag ihren mittlerweile sechsten Befangenheitsantrag vorgelegt. Darin erheben die Anwälte Stefan Mittelbach und Peter Witting erneut schwere Vorwürfe gegen die Richter des Schwurgerichts, die sich aus ihrer Sicht ihr Urteil bereits gebildet und deshalb an einer weiteren Aufklärung kein Interesse mehr hätten.

Prozess um Mordfall Böhringer: undefined
(Foto: Foto: Stephan Rumpf)

Aufgrund der Haltung der Richter im Komplex um die bislang noch immer ungeklärte Herkunft einer DNS-Spur in Böhringers Wohnung bestehe ein "tiefgreifendes Misstrauen in ihre Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit", so die Anwälte.

Charlotte Böhringer wurde am 15. Mai 2006 in den Abendstunden in ihrer Wohnung in der Baaderstraße mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen. Nur drei Tage später wurde ihr Neffe Benedikt T. unter dem Verdacht des Mordes festgenommen.

Im Mai 2007 begann im Schwurgericht der Indizienprozess, der gleich zu Anfang eine spektakuläre Wende nahm. In Böhringers Wohnung wurden an einem Glas im Geschirrspüler und am Griff einer Kommode zwei DNS-Spuren entdeckt. Zur Überraschung aller erwiesen beide sich als identisch mit der DNS-Spur an einer Holzschraube im bis heute ungeklärten Mordfall der 1981 entführten und in einer Holzkiste erstickten Schülerin Ursula Herrmann.

Die DNS-Spur an der Holzschraube war erst mit neuesten Methoden der Kriminaltechnik 2005 gesichert worden. Seit Prozessbeginn liegt die Identität der Spuren aus beiden Mordfällen nun wie ein Damoklesschwert über dem Verfahren.

Gibt es eine Person, die in Böhringers Wohnung war und gleichzeitig mit dem Mordfall Herrmann in Verbindung steht? Handelt es sich vielleicht um ein Laborversehen? Die Ermittler haben mittlerweile hunderte Personen zur Speichelprobe gebeten, nur aufgeklärt werden konnte die Spurenherkunft nicht.

Die Vorwürfe der Verteidiger zielen nun im Kern auf die Weigerung der Richter, noch weitere DNS-Tests in Auftrag zu geben. Begründung der Richter: Aufgrund der bisherigen Beweislage sei einerseits nicht ersichtlich, wie die DNS-Spur auf die 25 Jahre lang in einer Asservatenkammer liegende Holzschraube gelangte und ob sie überhaupt etwas mit dem Mordfall Herrmann zu tun habe. Außerdem gebe es "nach derzeitigem Sachstand" keine Verbindung zwischen der Ermordung Böhringers und der Ermordung Herrmanns im Jahr 1981.

Die Anwälte sehen sich durch diese Weigerung in ihrer Annahme bestätigt, dass die Richter den Angeklagten Benedikt T. längst vorverurteilt haben. "Die Haltung der abgelehnten Richter ist letztlich nur damit zu erklären, dass die Kammer bereits der Überzeugung ist, in dem Angeklagten den wahren Täter gefunden zu haben."

Die Anwälte sehen in der Spurenidentität sehr wohl ein Indiz, dass eine bislang unbekannte Person kurz vor Böhringers Ermordung in deren Wohnung war, dort wahrscheinlich aus einem Glas getrunken und irgendwann (vielleicht beim Durchsuchen?) den Kommodengriff berührt hat. Und es könne nicht ausgeschlossen werden, dass diese Person in den Mordfall Herrmann verwickelt ist. Als nächster Prozesstermin ist der 28. Mai vorgesehen, weitere Termine sind bereits bis Anfang August terminiert.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: