Prozess um missglückte Augen-OP:Kunstfehler statt Kontaktlinsen

Sie vertrug ihre Kontaktlinsen schlecht - deshalb wollte sich eine Münchnerin die Augen lasern lassen. Doch der Eingriff endete in einem Fiasko. Seitdem muss die 65-Jährige eine Odyssee durch Gerichtssäle und Instanzen erdulden. Sogar den Europäische Gerichtshof für Menschenrechte beschäftigte das Verfahren.

Ekkehard Müller-Jentsch

Erfahrene Ärzte, modernste Geräte, TÜV-zertifizierte Verfahren und zufriedene Patienten - so wirbt eine renommierte Münchner Augenklinik für sich selbst. Wie wenig solche Reklame mitunter mit der Realität zu tun hat, musste Ursula G. erfahren: Die ehemalige Kunsterzieherin hatte sich einer angeblich harmlosen OP gegen ihre Kurzsichtigkeit unterzogen - der Lasereingriff endete mit einem Fiasko. Seither muss die heute 65-Jährige eine Odyssee durch Gerichtssäle und Instanzen erdulden.

LASEROPERATION AM AUGE

Laser-OP in Frankfurt (Archivbild): Nach einer missglückten Augen-Operation hat eine Münchnerin gegen die Klinik geklagt.

(Foto: DPA/DPAWEB)

Nach 13 Prozessjahren gab es am Donnerstag nun endlich ein richtungweisendes Urteil. Das Ende des Justizmarathons bedeutet es aber trotzdem noch nicht.

Weil die kurzsichtige Frau ihre Kontaktlinsen schlecht vertrug, ging sie Ende 1996 in die Privatklinik. Dort versprach man ihr, den Sehfehler mit größter Präzision per Laser zu korrigieren.

Das ging jedoch gründlich schief: Seither leidet die Frau unter massiven Sehstörungen mit sich überlagernden Lichteffekten, Doppelkonturen und Schattenbildern. Die Klinik und der Operateur behaupten, das sei schlichtweg Pech gewesen: Der Eingriff sei nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt worden - die Überkorrektur sei schicksalhaft.

Es kam zu einem Kunstfehler-Prozess, wie er bisher ohne Beispiel sein dürfte. Der erste Gutachter, den das Landgericht München I bestellt hatte, war spurlos verschwunden. Das Gericht bestellte daher einen neuen Sachverständigen - der starb überraschend. Eine dritte Sachverständige erklärte dann dem Gericht, dass der Operateur beim Lasern einen groben Behandlungsfehler begangen habe.

Die Kammer verurteilte Klinik und Ärzte daraufhin in einem Teilurteil zur Zahlung von 30.000 Euro Schmerzensgeld. Das Oberlandesgericht München bestätigte dieses Urteil. Die Klinik zog vor den Bundesgerichtshof, der wies den Fall zur erneuten Verhandlung an das OLG zurück.

Streit um Höhe des Schadenersatzes

Ursula G. platzte der Kragen. Sie reichte Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ein. Wegen überlanger Verfahrensdauer verurteilte das EU-Gericht die Bundesrepublik zur Zahlung von Schmerzensgeld. Zugleich hatte die Münchnerin gegen die Ärzte Strafanzeige erstattet.

Denn ein Gutachten des Landeskriminalamts hatte sie in dem Verdacht bestätigt, dass Teile der Behandlungsunterlagen, die Klinik und Arzt den Gerichten vorgelegt hatten, gefälscht worden seien. Die LKA-Experten hatten zum Beispiel "deutliche Löschungen und Einfügungen" beim OP-Video festgestellt. Die Strafverfolger stellten die Ermittlungen trotzdem ein, Ursula G. hat dagegen Beschwerde eingelegt.

Die Gutachterin der beiden ersten Instanzen hatte damals zwar einen groben Behandlungsfehler festgestellt: Angesichts einer speziellen Augenproblematik bei der Patientin hätte der Laser-Eingriff gar nicht vorgenommen werden dürfen. Doch nachdem der BGH die Neuverhandlung verlangt hatte, beauftragte der Münchner OLG-Senat auch einen neuen Gutachter.

Dieser Mediziner sagte nun, dass es damals bloß Hinweise auf diese spezielle Augenproblematik gegeben habe - aber keine deutlichen Anzeichen. Die Patientin sei jedoch unzureichend über die Risiken aufgeklärt worden. Daraufhin bestätigte der Senat nun das allererste Urteil vom Juli 2007. Die Revision ließ das Gericht zwar nicht zu - doch die Klinik könnte dagegen wieder Beschwerde beim BGH einlegen.

Auf jeden Fall geht es bald in eine weitere Runde: Wieder in erster Instanz, also vor dem Landgericht München I, muss nämlich noch um die Höhe des Schadensersatzes gestritten werden - dieser Betrag war bisher immer ausgeklammert worden. Da die Lehrerin durch ihre Frühpensionierung jahrelang starke finanzielle Einbußen hatte, die sich auch auf ihre Altersversorgung auswirken, geht es um beträchtliche Summen - wahrscheinlich wieder durch alle Instanzen.

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