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Prozess um dritte Startbahn:Zittern vor dem Urteil

Selbst die Optimisten sind pessimistisch: Heute fällt das Urteil im Prozess um den Bau einer dritten Startbahn am Flughafen München. Die Chancen der Ausbau-Gegner stehen schlecht - protestiert wird trotzdem.

Von Ingrid Fuchs

Mit entschlossenen Gesichtern stehen sie da und halten ihre Banner hoch. "Keine Dritte Startbahn" ist in fetten Buchstaben darauf zu lesen. "2 sind genug", steht auf einem anderem Banner, der sich um den Bauch eines Mannes spannt. Schon anderthalb Stunden vor der Urteilsverkündung versammeln sich die Gegner der dritten Startbahn vor dem Amt für ländliche Entwicklung, wo der Prozess an diesem Mittwochmorgen zu Ende gehen soll. Sie kämpfen nochmal um Aufmerksamkeit.

"Wir leben doch in einer Demokratie", sagt etwa Korbinian Sgroff aus Attaching bei Freising. "Wir müssen jetzt schon mit zwei Startbahnen leben, wenn jetzt noch eine dritte dazu kommt, fliegen die Flugzeuge ja direkt über unseren Köpfen." Und wenn es nicht gut ausgeht? "Dann wird es eine Möglichkeit geben, weiterzumachen."

Doch eigentlich rechnen auch die Optimisten unter den Startbahngegnern mit einer Niederlage: dass die Richter des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (VGH) die Baugenehmigung für die milliardenteure Piste für rechtmäßig halten.

17 Kläger, darunter Anwohner, mehrere Kommunen und der Bund Naturschutz in Bayern (BN), haben gegen die vier Kilometer lange Bahn, auf der stündlich 30 Flugzeuge starten oder landen könnten, geklagt. Im März vergangenen Jahres begann die Beweisaufnahme, am 15. Januar endete sie nach 46 Verhandlungstagen. Schon da war den Gegner klar, dass es für sie wohl schlecht ausgehen würde, denn bereits im Dezember hatte das Gericht alle von den Klägern gestellten Beweisanträge abgelehnt. Sie seien unerheblich oder ohne rechtliche Grundlage, begründete der VGH die Entscheidung.

Für die Startbahngegner ist die Piste überflüssig, weil die Zahl der Starts und Landungen in den vergangenen Jahren kontinuierlich zurückgegangen sei. Tatsächlich gibt es weniger Flugbewegungen, weil die Maschinen immer größer werden und oft bis auf den letzten Platz ausgelastet sind.

Die Befürworter argumentieren dagegen, dass die Zahlen langfristig steigen würden. Flughafenchef Michael Kerkloh pocht deshalb auf die dritte Startbahn, ohne sie könne der Airport im internationalen Vergleich auf lange Sicht nicht mithalten.

"Na und? Das haben wir doch erwartet!"

Die Gegner haben sich schon auf eine Niederlage vor dem VGH eingestimmt. Auf der Homepage der Bürgerinitiative Aufgemuckt finden sich schon vorab Empfehlungen, wie die Gegner auf Nachfragen zu einer möglichen Niederlage am besten reagieren: "Na und? Das haben wir doch erwartet! Dieses Urteil sagt weder etwas darüber aus, ob eine 3. Startbahn notwendig ist oder ob sie Sinn macht. Das Gericht hat lediglich aus seiner Sicht im PFB (Planfeststellungsbeschluss, Anm. d. Red.) keine Gesetzesverstöße feststellen können, auch wenn wir das aus logischer Sicht nicht nachvollziehen können."

Neben dem Urteil stellt sich für die Prozessbeteiligten auch die Frage, ob der VGH die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zulässt. Dann könnten die Verlierer die nächste Instanz ohne Umwege anrufen. Lehnt der VGH dies ab, ist Nichtzulassungsbeschwerde dagegen möglich. Die obersten Verwaltungsrichter in Leipzig müssen dann entscheiden, ob sie sich mit dem Fall beschäftigen oder nicht.

Unabhängig vom Prozess liegt das Projekt seit 2012 auch wegen eines ablehnenden Bürgerentscheids der Münchner Bevölkerung auf Eis. Im Vorfeld der Abstimmung hatte die SZ damals zusammengetragen, welche Folgen der Bau einer Dritten Startbahn haben würde. Einen Überblick dazu finden Sie hier.

Wie es nach dem Urteil weiter gehen könnte, lesen Sie detailliert auch hier.

(Mit Material aus den Agenturen)

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