Prozess um Doppelmord von Krailling:"Ich habe mit einem Mörder im Bett gelegen"

Sie sei sich sicher, dass ihr Ehemann der Täter ist, hatte Ursula S. nach der Verhaftung des mutmaßlichen Doppelmörders von Krailling gesagt. Nun ist sie vor Gericht als Zeugin erschienen - und verweigert jede Aussage. Dafür erzählen andere Familienangehörige vom Streit ums Geld. Und von den Wutausbrüchen des Angeklagten.

Anna Fischhaber

Sie hoffe, dass er "lange, lange im Gefängnis bleibt", hatte Ursula S. zum Prozessauftakt einem Fernsehsender erklärt. Für sie gebe es keine Zweifel, dass ihr Mann der Täter sei - er habe sie in der Tatnacht mit Tabletten "bewusst ruhiggestellt", hatte sie in einem anderen Interview gesagt. An diesem Donnerstagnachmittag muss die 45-Jährige persönlich vor Gericht erscheinen. Ihr Mann Thomas S. ist angeklagt, die beiden Nichten des Ehepaars brutal ermordet zu haben.

Prozess um Doppelmord von Krailling fortgesetzt

Aus Habgier soll Thomas S. seine beiden Nichten brutal getötet haben.

(Foto: dapd)

Mit Seil, Hantel und Messer soll er auf die kleinen Mädchen losgegangen sein. Laut Anklage wollte er auch Anette S., die Schwester seiner Frau töten, um das Familienvermögen zu erben. Schwere Vorwürfe gegen ihren Ehemann, doch Ursula S. wirkt gefasst, als sie den Gerichtssaal betritt. Den Angeklagten, der den Blick nicht von ihr abwendet, würdigt sie keines Blickes.

Die gelernte Erzieherin hat sich zurechtgemacht. Ihre rotbraunen Haare trägt sie lang, sie hat einen braunen Rock an. Ihre hohen, schwarzen Stiefel sehen neu aus, die Absätze sind mindestens fünfzehn Zentimeter hoch.

20.000 Euro soll Ursula S. laut Aussagen anderer Familienangehöriger im Prozess für ihr Interview mit dem Stern kurz nach der Verhaftung von Thomas S. bekommen haben. Über mehrere Seiten berichtet sie darin, warum sie ihrem Mann zunächst ein Alibi gegeben hat und es dann wieder zurücknahm. Vor Gericht will sie nichts mehr dazu sagen. "Ich möchte keine Angaben machen", erklärt sie. Viel mehr sagt sie bei ihrem kurzen Auftritt nicht. Doch kaum ist sie auf der Straße, da spricht sie wieder - in die Mikrophone der Fernsehjournalisten.

Über die schwierigen Familienverhältnisse erzählen vor Gericht an diesem siebten Prozesstag andere. Denn zerstritten war Familie S. schon vor dem gewaltsamen Tod von Chiara, acht Jahre alt, und Sharon, elf. Immer wieder ging es um das beträchtliche Erbe - fast vier Millionen Euro an Immobilien und Aktien sind in einer Familiengesellschaft, an der die Verwandten beteiligt sind. Immer wieder ging es um den Angeklagten Thomas S.

Am Vormittag machte Doris S., die Mutter von Ursula S. und Oma der getöteten Mädchen deutlich, wie wenig sie von ihrem Schwiegersohn hält. Er sei "hämisch" und "niederträchtig", sein ungepflegtes Äußeres habe sie abgestoßen. Über Ursula S. und Thomas S. sagt sie: "Sie haben sich immer furchtbar gestritten."

Die vier gemeinsamen Kinder habe der Postbote oft schlecht behandelt, für seine zwei Kinder aus erster Ehe weigerte er sich, den Unterhalt zu zahlen. "Manchmal wurde er cholerisch, sehr laut und richtig ausfallend", erzählt die 70-Jährige.

Doris S. erinnert sich an einen Besuch ihrer Tochter mit den vier Kindern: Der Angeklagte habe seine Familie unbedingt wieder nach Hause holen wollen. "Er hat sich vor der Tür aufgeführt wie ein Wahnsinniger", sagt sie. Aber die Familie wollte nicht mit. "Ich hatte den Eindruck, sie hatten Angst." Bei der Auseinandersetzung habe Thomas S. seine Frau und seine Kinder schließlich mit dem Tod bedroht: "Dann werde ich sie umbringen und die Kinder auch", soll er gesagt haben.

2009 habe sie den Kontakt zu Ursula S. und ihrem Mann abgebrochen. "Ich habe Schluss gemacht, weil es immer wieder so eskaliert ist", sagt sie.

Noch sind die beiden verheiratet

Für ihre andere Tochter, die Mutter der getöteten Mädchen, findet sie dagegen nur warme Worte. Überhaupt seien ihre beiden Töchter sehr unterschiedlich gewesen - darunter habe auch das Verhältnis der Schwestern gelitten. "Die Anette war sehr lustig, sehr offen, Ursula hatte immer Schwierigkeiten in ihrem Leben - von Anfang an", sagt sie. "Sie war immer ein Sorgenkind."

Der Verteidiger hatte der SZ vor Prozessbeginn gesagt, er wolle vor Gericht auch die Rolle von Ursula S. hinterfragen - zum Beispiel, ob sie von der Finanznot nicht hätte wissen müssen. Ein Jurist der Familie verneint das bei seiner Aussage am Donnerstag. Seine Patentochter habe ihm gesagt, sie sei Hausfrau und habe keinen Einblick in die finanziellen Angelegenheiten.

Ob Thomas S. wirklich der Täter sei, darüber habe er mit ihr nie gesprochen, berichtet Gerhard S. weiter. Aber er erinnert sich, wie wütend seine Nichte war. "Ich habe mit einem Mörder im Bett gelegen, ich kann doch nicht mit einem Mörder verheiratet sein, hat sie gesagt", erzählt er. Als Thomas S. in Haft saß, hat Ursula S. die Scheidung eingereicht. Doch noch sind die beiden verheiratet.

Auch der finanzielle Druck, unter dem Thomas S. und seine Familie standen, ist an diesem Donnerstag Thema. Von Anfang an habe sie den Eindruck gehabt, Thomas S. sei ein "Schmarotzer", erzählt Doris S. "Er hatte gar nichts, er hatte kein Geld, das kam immer alles von uns, von der Familie, von Ursula", sagt sie. Der Angeklagte und ihre Tochter seien immer sehr darauf aus gewesen, "dass sie Geld zusammengerafft haben - die haben ja das Geld gebraucht, um das Haus zu bauen. Das war ihnen das Allerwichtigste."

Auch Gerhard S. berichtet von finanziellen Problemen beim Hausbau in Peißenberg. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Thomas S. den Mordplan aus Habgier fasste, als die Zwangsversteigerung des Eigenheims drohte. Bislang schweigt der Angeklagte vor Gericht, doch viel spricht gegen ihn - so wurden sein Blut und seine Fingerabdrücke am Tatort gefunden.

Am 27. Februar wird der Prozess fortgesetzt - dann sollen weitere Familienangehörige aussagen.

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