Erst bestellte er sich um Mitternacht eine Prostituierte auf einen Pendlerparkplatz an der Autobahn, anschließend fuhr er zum Haus seiner Ex-Geliebten und des gemeinsamen Sohns in Taufkirchen, schüttete Benzin an die Wohnungstüre und in den Türspalt und zündete es an: Unter anderem wegen versuchten Mordes in zwei Fällen und schwerer Brandstiftung ist der 31-jährige Abdulrahman K. vor der 1. Schwurgerichtskammer am Landgericht München I angeklagt. Er soll laut Staatsanwaltschaft nahezu zeitgleich zwei Frauen geschwängert und später geplant haben, die Verflossene und den einjährigen Sohn zu töten, um sich den Unterhaltsverpflichtungen zu entziehen.
Dass er den Türstock in Brand gesetzt hat, das lässt der 31-Jährige über seine Verteidigerin Berna Behmoaram und seinen Verteidiger Michael Pösl zu Prozessbeginn geständig verlauten. Aber er habe ja nur etwa ein Glas Benzin an der Wohnungstüre vergossen. Wenn er sie hätte töten wollen, hätte er den vollen Kanister verschüttet, auch vor dem Fenster im Erdgeschoss und der Terrassentüre, um den Fluchtweg abzuschneiden. So aber hätten sich Frau und Kind retten können.
Tatsächlich hatte sich das Feuer in der Nacht auf den 26. März 2024 um 3 Uhr in der kleinen Wohnung im Hochparterre an der Waldstraße in Taufkirchen rasch ausgebreitet. Teppich und Tür standen in Flammen, als es durch eine Verpuffungsreaktion laut knallte – und die junge Frau hochschreckte. Sie packte den Sohn, wickelte ihn in eine Decke und floh durch die Flammen im Hausflur ins Treppenhaus. Dabei erlitt sie Verbrennungen des Grades 2a im Gesicht und am Arm, der Sohn blieb unverletzt. Das mehrstöckige Mietshaus musste geräumt werden, eine Bewohnerin erlitt eine leichte Rauchgasvergiftung.

„Ich habe nicht mit dieser Brandentwicklung gerechnet“, liest Pösl im Namen seines Mandanten vor. Er habe die „dumme Idee“ gehabt, die Wohnung unbewohnbar zu machen, damit „sie auf meine Unterstützung angewiesen ist“. Die Frau habe ihm misstraut und nicht gewollt, dass er Umgang mit seinem Sohn habe.
Die Staatsanwaltschaft ist vom glatten Gegenteil überzeugt: K. und die Geliebte hatten sich über die App Mysugardaddy kennengelernt, auf der Abdulrahman K. sehr häufig zugange war. Die sexuelle Verbindung dauerte wenige Monate. Zeitgleich führt Abdulrahman K. seit acht Jahren eine feste Beziehung mit einer anderen Frau, die zwei Monate nach seiner Ex-Geliebten eine Tochter zur Welt brachte. Kurz vor der Tat, so schreibt die Staatsanwaltschaft in der Anklage, habe K. die Kindsmutter zweimal in Taufkirchen aufgesucht, um mit ihr über die Unterhaltsforderungen zu reden. Laut einem Schreiben des Sozialreferats waren fast 1800 Euro Rückstände aufgelaufen. Und um die Finanzen stand es bei dem Busfahrer ohnehin nicht so gut.
K. trägt ein weißes Kurzarmhemd, weit aufgeknöpft, und erzählt von seiner Vorliebe für teure Sportwagen. Seiner, ein Mercedes-AMG GT im Wert von 110 000 Euro, ist wohl Schrott. Es gibt billigere Sportwagenmodelle, trägt er vor, aber das seien nicht die Besten. Das Auto habe nicht lange gehalten, das sei Schicksal. „Sie haben einen Unfall gebaut“, hält ihm die Vorsitzende Richterin Elisabeth Ehrl mit fragendem Unterton vor. „Man schaut zu mir, ich bin fit, muskulös gebaut, dann sind die Leute halt neidisch“, antwortet er – nicht unbedingt auf die Frage.
Abdulrahman K. wuchs in Syrien in einer neunköpfigen Familie auf, der Vater sei Architekt für Luxushäuser gewesen, „an Geld hat es nicht gefehlt“. Als der Krieg ausbrach, sei er mit 18 Jahren nach Istanbul geflohen, er habe nicht zum Militär gewollt, „damit ich keine Menschen töten muss“. 2015 kam er nach Deutschland, 2020 fing er bei der MVG als Busfahrer an. Um seine Vorlieben für Luxusautos und Motorräder zu finanzieren, nahm seine Lebensgefährtin einen Kredit auf, zwei weitere Kredite laufen auf beider Namen. Und bei einem Onkel habe er auch noch Schulden, räumt K. ein, aber „privat bleibt privat“, sagt er und schweigt über die Summe.
Als ihn der psychiatrische Gutachter Cornelis Stadtland fragt, ob er Suizidgedanken hege, sagt K.: „Meine Tochter wartet draußen.“ Erst auf Nachfrage des Gerichts redet er im Plural von seinen Kindern: „Ich will meinen Kindern ein gutes Leben in Deutschland ermöglichen.“ Von einem guten Leben ist seine Ex-Freundin weit entfernt. Sie leide bis heute unter massiven Angstzuständen, sagt sie vor Gericht. Er habe zuerst gewollt, dass sie abtreibt. Später habe sie befürchtet, dass er ihr den Sohn wegnimmt. Der Prozess dauert an.

