Prozess vorm Landessozialgericht:Alles für den Riesenschnauzer

  • Ein Ehepaar lebt bereits getrennt, als der Mann durch einen Schlaganfall schwerbehindert wird.
  • Eine Bekannte, die er im Schnauzer-Pinscher-Club Würmtal kennengelernt hat, kümmert sich um ihn und seinen Riesenschnauzer Diego - und bekommt dafür von der Ex-Frau des Mannes 24 000 Euro geschenkt.
  • Weil der Sozialhilfeträger annimmt, dass auch der Mann davon profitiert, fordert er die Unterstützung zurück - der Fall landet vor Gericht.

Von Stephan Handel

Wo sind nur die 24 000 Euro abgeblieben? Bei Frau H., sagt Herr S. Bei Herrn S., sagt die Behörde. Wir wissen's nicht, sagt das Gericht. Und so verlässt Frau H. den Gerichtssaal als rechtmäßige Eigentümerin eines doch nicht ganz geringen Geldbetrags, und Herr S. kann beruhigt sein: Er muss bereits erhaltene Sozialhilfe nicht zurückzahlen.

Die Angelegenheit, die in dieser Woche am Landessozialgericht in der Ludwigsstraße verhandelt wurde, hat ihre Anfänge vor 15 Jahren, damals war Herr S. noch verheiratet, und im Rollstuhl saß er auch noch nicht. Allerdings - die Ehe ging auseinander. Ohne sich zunächst scheiden zulassen, vereinbarte das Ehepaar S., dass der Mann das Inventar bekam, also Möbel und das Auto, Frau S. aber sollte eine Lebensversicherung über 51 000 Euro erhalten, wenn die ausgezahlt werden würde.

So hätten alle mehr oder weniger zufrieden weiterleben können - wenn nicht Herr S. im Jahr 2010 einen schweren Schlaganfall erlitten hätte; seitdem ist er halbseitig gelähmt, kann nicht mehr arbeiten und ist auf den Rollstuhl angewiesen. Er kam in eine Einrichtung der Pfennigparade in München. Weil er die Kosten dort aus eigener Kraft nicht tragen konnte, beantragte er Sozialhilfe und bekam sie auch. Bei allen nötigen Formalien und überhaupt half ihm Frau H., eine Bekannte, die er im Schnauzer-Pinscher-Club Würmtal kennengelernt hatte mithilfe seines Riesenschnauzers Diego. Ihr stellte er auch eine Vorsorge-Vollmacht aus, eine enge Freundschaft sei das geworden, sagte er im Gericht.

Bei der Bewilligung der Sozialhilfe hatte die Behörde, in diesem Fall der Bezirk Oberbayern, die Abtretung der Lebensversicherung an die Frau akzeptiert. Als diese jedoch ausbezahlt war - auf das Konto von Frau S. -, da fing das Durcheinander an. Nun wollte das Amt nämlich von ihr eine Auskunft über ihre Vermögensverhältnisse, denn auch wenn das Paar seit zehn Jahren getrennt war, wäre sie eventuell unterhaltspflichtig gewesen. Das sehe sie überhaupt nicht ein, sagte Frau S., außerdem habe ihr Mann ja die Hälfte der Versicherung bekommen.

Da klingelten in der Behörde sämtliche verfügbaren Alarmglocken - Herr S. bekam einen Bescheid, mit dem 19 000 Euro an zu Unrecht erhaltener Sozialhilfe zurückgefordert wurden. Dagegen klagte er und bekam vor dem Sozialgericht München auch Recht, so dass die ganze Geschichte nun vor dem Landessozialgericht noch einmal aufgerollt wurde, der Bezirk war in Berufung gegangen.

Eine halbe Lebensversicherung als Dankeschön? Daran zweifelt der Sozialhilfeträger

Nicht er habe das Geld bekommen, trug Herr S. hier wie dort vor. Seine - mittlerweile geschiedene - Ehefrau habe fast die Hälfte der Summe, nämlich 24 000 Euro an Frau H. überwiesen, aus Dankbarkeit und aus schlechtem Gewissen, weil die sich so gut um den kranken Mann gekümmert habe und weil sie ja tatsächlich Auslagen gehabt hatte, zum Beispiel für die Betreuung Diegos, des Riesenschnauzers, für den Herr S. nicht mehr sorgen konnte. Frau H. bestätigte diesen Bericht und bewies die Überweisung per Kontoauszug. Frau S. machte in den Gerichtsverfahren von dem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, das ihr als Angehörige zusteht. Dass sie nichts sagen will, darf das Gericht weder positiv noch negativ verwenden.

Der Sozialhilfeträger fand die Geschichte natürlich trotzdem ausgesprochen merkwürdig - er witterte etwas, was auf Juristisch "verdecktes Treuhandverhältnis" heißt: Könnte ja sein, dass das Geld zwar auf Frau H.s Konto liegt, sie aber Herrn S. jeden Monat einen Hunderter davon in Bar gibt, ohne dass irgendjemand etwas davon mitbekommt. Und gibt es nicht diese E-Mail an Herrn S., in der eine der beiden Frauen schreibt, das Geld "soll nie auf deinem Konto erscheinen"? Hat nicht Herr S. einen weiteren Antrag auf Sozialhilfe zurückgezogen? Wie konnte er das tun, wenn er nicht irgendwoher Geld hätte? Wie realistisch ist es, dass eine Frau, die finanziell wohl auch nicht übermäßig ausgestattet ist, einer Freundin ihres geschiedenen Mannes aus lauter Dankbarkeit 24 000 Euro schenkt?

Im Prozess sagt Herr S., er habe erst sehr viel später von dieser Schenkung seiner Ex-Frau an Frau H. erfahren - "das ist an mir vorbeigelaufen". Sozialhilfe brauche er nicht mehr, weil er aus der teuren Münchner Einrichtung in eine günstigere im Umland gezogen ist, die kann er von seiner Rente bezahlen. Frau H. selbst erzählt bei ihrer Zeugenaussage die gleiche Geschichte, und sie wird auch nicht nervös, als das Gericht beratschlagt, ob sie vielleicht vereidigt werden sollte. Da hat das Gericht den Vertretern des Bezirks aber schon sanft nahezubringen versucht, ob sie nicht vielleicht darüber nachdenken möchten, die Rückforderungsbescheide zurückzunehmen: Sie müssten beweisen, dass die Geschichte von S. und H. nicht stimmt, und es sieht nicht so aus, als würde ihnen das gelingen.

So kommt es dann auch - das Verfahren endet damit, dass der Bezirk seine Bescheide nicht mehr aufrechterhält. Für Herrn S. bedeutet das, dass er nichts zurückzahlen muss - und dass er vielleicht mit Frau H. auf den Sieg vor Gericht eine Flasche öffnen kann, bezahlt von den 24 000 Euro, wer auch immer sie hat.

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