Prozess:Sohn geht mit Axt auf Vater los

Lesezeit: 3 min

  • Der 31-jährige B. steht wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung vor Gericht.
  • Nachdem er Stimmen in seinem Kopf hörte, griff er seinen Vater mit der Axt an.

Von Susi Wimmer

B. trägt Hemd und Anzug. Er erzählt, dass er sein Leben jetzt im Griff hat. Ein fester Rhythmus, ins Bett um 21 Uhr, nebenbei zum Beruf noch ein Master-Studium. Das war bei dem 31-Jährigen, der vor dem Landgericht München I steht, nicht immer so.

Während eines psychotischen Schubs bedrohte er im August 2016 seinen Vater mit einer Axt und zertrümmerte Wohnungsinventar. Bis heute will der 66-Jährige nichts mehr von seinem Sohn wissen. "Ich hatte Todesangst. Wie es ihm geht, interessiert mich nicht", sagte er im Zeugenstand.

Mit B. steht nicht nur ein innerlich zerrissener Mensch vor Gericht, sondern auch eine zutiefst gespaltene Familie. Der Vater, Jurist, und die Mutter, Bürokauffrau, trennten sich bereits früh. B. wuchs zunächst bei der Mutter auf und die Jahre seien von Sorgerechtsstreitereien und Familienkämpfen geprägt gewesen. Irgendwann pendelte er im Drei-Tage-Rhythmus zwischen Vater und Mutter hin und her. "Ein Blödsinn", sagt er heute. "Es gab Tage, da wusste ich beim Aufwachen nicht, in welchem Bett ich bin."

Als Jugendlicher begann er zu kiffen, dann kam der Alkohol. Er schaffte sein Abi, brach ein Jura-Studium ab. 2012, so erzählt er, erlebte er erstmals eine Psychose und musste in seiner dualen Ausbildung im Foodmanagement pausieren. Er schloss das Studium mit dem Bachelor ab, war arbeitslos - und beschloss, die nach der Psychose eingenommenen Tabletten abzusetzen.

"Ich hab mich abgesondert und alle, die mir helfen wollen, vor den Kopf gestoßen", erzählt B. Dann habe das mit den Stimmen begonnen. Die sagten, dass sein Vater bei der Mafia sei. Und dass er einen Killer auf ihn angesetzt habe. Da sei er in den Baumarkt gegangen, habe Türverschläge, eine Nagelpistole und zwei Äxte gekauft, "zur Verteidigung".

Der Weg führte ihn direkt zu seinem Vater. In dessen Wohnung schlug er mit der Axt auf einen Schrank, die Wand und den Stuhl ein, auf dem sein Vater saß. Er werde ihm die Finger abhacken, wenn er nicht zugebe, dass er Mitglied bei der Mafia sei, soll er gedroht haben. Die Freundin seines Vaters alarmierte die Polizei.

"Ich wollte ihn nicht verletzen", sagt der 31-Jährige. Er kam in eine psychiatrische Klinik, sein Vater erwirkte ein Kontaktverbot gegen ihn. Er versuchte, sich per SMS bei ihm zu entschuldigen. Der Vater empört sich vor Gericht über die Formulierungen in der Nachricht. "Es tut mir leid, wenn der Wortlaut nicht richtig gewählt war", sagt der Sohn.

Vater erzählt mit tränenerstickter Stimme von seiner Todesangst

"Er hat immer um die Anerkennung seines Vaters gebuhlt", sagt die Mutter. Das Verhältnis mit dem Vater sei schwierig gewesen, sagt die 64-Jährige. B. sei von ihm nie so wertgeschätzt worden, wie er es sich gewünscht hätte. "Die Schwester war immer die Tolle." Erst als er beim Vater eingezogen sei, habe er mit Kiffen und Trinken begonnen. "Ich weiß nicht, warum der Vater das nicht gemerkt hat."

Nach der Entlassung aus der psychiatrischen Klinik im Oktober 2016 sei ihr Sohn wieder zu ihr gezogen. "Er hat sich sofort um Arbeit bemüht, er nimmt seine Tabletten, geht wöchentlich zum Drogen- und Alkoholtest, er studiert nebenbei, versucht Sport zu machen. Was soll er noch alles tun", sagt sie.

Der Vater erzählt, dass der Sohn nur "mit Hängen und Würgen" sein Abitur geschafft hätte. Er listet auf, was er für ihn bezahlt habe, und äußert sich abschätzig. "Vielleicht lassen wir die Wertung mal weg", schlägt Richter Anton Winkler vor. Mit tränenerstickter Stimme erzählt der Vater von seiner Todesangst an jenem Tag und ob man ahne, was das für seine Familie ("also meine Frau und meine Tochter") bedeute, wenn B. nur Tabletten bekomme.

"Was passiert, wenn man den laufen lässt?", fragt die Schwester. "Man kann ihm nicht lebenslänglich die Hand halten." "Aber auch nicht lebenslänglich wegsperren", antwortet Winkler. In den Schlussplädoyers sprechen sich alle Beteiligten für eine Unterbringung auf Bewährung aus. Das Urteil wird am Mittwoch gefällt.

© SZ vom 10.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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