Prozess:Schmerzhafte Verwechslung

Gang will sich rächen, schneidet aber dem Falschen ins Ohr

Sivant A. betritt den Gerichtssaal, ein gutaussehender junger Mann, modisch gekleidet, trendiger Bart. Er lächelt in Richtung Zuschauerbank, winkt und wirft Kusshändchen. Dann setzt er sich und hört zu, wie die Staatsanwaltschaft die Anklageschrift verliest: Wie er im Mai 2016 zehn Kumpel, teils aus der Straßengang-Szene, in seinem Lokal Slemani Grill zusammengetrommelt hatte, um den Ex-Mann seiner Verlobten "mit dem Messer zu verletzen und zu entstellen". Auf offener Straße in der Au, nahe des Mariahilfplatzes, prügelte die Gang mit Händen und Füßen auf das Opfer und dessen Bruder ein, der ihm zu Hilfe eilen wollte. Ein Angestellter Sivants sollte dem Ex auch das Ohr abschneiden. Aber in der Hitze des Gefechts verwechselte er die Männer und schnitt dem Bruder bis an den Schädelknochen ins linke Ohr.

Die Zuschauer drängen sich vor dem Sitzungssaal im Strafjustizzentrum. Auffallend gestylte junge Frauen, deren Taillenumfang der Bizepsgröße ihrer Begleiter entspricht. Es herrschen besondere Sicherheitsmaßnahmen, der Ausweis jedes Zuhörers wird kopiert. Was wohl dem Umstand geschuldet ist, dass laut Staatsanwaltschaft fünf der insgesamt elf Angeklagten der Straßengang Black Jackets angehören, oder angehörten. Denn die Führungsriege der Münchner Bande sitzt hinter Gittern, laut Landeskriminalamt gibt es kein einziges Chapter (Orts- oder Landesgruppe) der Black Jackets mehr in Bayern.

Laut Anklageschrift schien es eine private Abrechnung gewesen zu sein, die Sivant A. bewog, dass elf Männer auf einen einzelnen einprügeln sollten. Das Opfer Goran F. ist der Ex-Mann von Sivants Verlobter. Die Frau telefonierte an jenem 8. Mai 2016 mit ihrem Ex und stritt sich mit ihm über das gemeinsame Kind, dessen Kleidung und Umgang. Sivant A. wurde wütend. Und er hatte aus seiner Sicht noch eine alte Rechnung offen. Goran F. soll ihm drei Jahre zuvor Schnitte im Gesicht zugefügt haben. Die Sache wurde vor dem Amtsgericht verhandelt, aber wegen widersprüchlicher Aussagen Sivants wurde der Angeklagte frei gesprochen.

Gegen Abend verständigte Sivant A. einen Freund, der informierte vier Kumpels, die in einer Shisha-Bar in Untergiesing hockten, per Whatsapp ging die Verständigungskette weiter, sogar Freunde aus dem Raum Altötting wurden herbei beordert. Acht Leute sollen sich dann im Slemani Grill versammelt haben, und der 28-jährige Sivant A. soll seinen Mitstreitern ein "schonungsloses Vorgehen" mit Waffen aller Art eingeschärft haben. Mit zwei Autos, ein Renault Twingo, von einer Mama geliehen, und ein anderer Wagen, den ein Papa stellte, fuhren die 22 bis 33 Jahre alten Männer in die Au. Dort lockten sie ihr Opfer auf die Schweigerstraße, wo wegen der Auer Dult viel Publikumsverkehr herrschte. In einer Ecke prügelten sie auf Goran F. und dessen Bruder ein. Einer der Schläger verletzte sich beim heftigen Zutreten sogar selbst, ein anderer prellte sich die Hand. Rebaz K., der bei Sivant A. als Bäcker im Slemani Grill arbeitet, versuchte, einem der Männer das Ohr abzuschneiden. Die beiden Opfer, die teilweise bewusstlos wurden, erlitten schwere Verletzungen. Anschließend feierte fast die komplette Gang die Tat im Slemani Grill. Der Prozess wird fortgesetzt.

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