Süddeutsche Zeitung

Prozess:Richter verbieten Urne zum Mitnehmen

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Von Ekkehard Müller-Jentsch

Discounter gibt es nicht nur im Lebensmittelhandel. Auch so manches Bestattungsunternehmen wirbt mit Niedrigpreispolitik. Solch eine in München agierende Firma, hinter der ein Hamburger Bestatter steht, hat dazu noch ein spezielles Sonderangebot: die "Urne Zuhause". Allerdings ist es in Deutschland ausnahmslos ordnungswidrig, die Urne eines Verstorbenen daheim zu verwahren. "Anders in unserem liberalem Nachbarland, der Schweiz", sagen die Bestatter. "Wir informieren zu diesem Thema", heißt es vieldeutig. Diese Werbung hat das Landgericht München I nun unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250 000 Euro untersagt.

Oft wird der Wunsch geäußert, einen gestorbenen Angehörigen bei sich daheim zu haben. Doch zumindest derzeit heißt es in Deutschland noch: Leichname dürfen nur auf Friedhöfen bestattet werden, das gilt auch für Asche. Die Rechtslage in der Schweiz sagt dagegen: "Jeder kann die Urne seines Verstorbenen, solange er möchte, zur persönlichen Abschiednahme zu Hause behalten." Eine hanseatische Firma, die sich als preiswerte Alternative zu örtlichen Bestattern sieht und bundesweit ihre Dienste über das Internet offeriert, deutet einen Ausweg an.

Schmuggel der Urne ist eine Ordnungswidrigkeit

In der mündlichen Gerichtsverhandlung wurde klar, wie der aussieht: Nach der Einäscherung wird die Urne zur Beisetzung in die Schweiz geschickt. Das Hamburger Unternehmen will seine Kunden aber pflichtgemäß darauf hingewiesen haben, dass sie eine Ordnungswidrigkeit begehen würden, wenn etwa die Urne zurück nach Deutschland geschmuggelt würde. Ob Kunden solch ein Risiko eingehen wollen, ist ihnen also selbst überlassen - ein Service in der Grauzone.

Der Bestattungsverband Bayern hat die Firma deshalb abgemahnt und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung verlangt. Als der Bestatter das ablehnte, kam der Fall vor die 4. Kammer für Handelssachen. Dort erklärte der beklagte Unternehmer, dass sich auf der Internetseite beim Anklicken des Sonderangebots eigentlich ein "Definitions-Fenster" mit Erklärungen öffnen sollte - das sei lediglich zeitweilig vergessen worden. Keinesfalls werde mit einer Leistung geworben, die es deutschen Verbrauchern ermöglichen würde, die Aschereste eines Verstorbenen zu Hause aufzubewahren.

Bestattungszwang in Deutschland

Das Gericht sieht das nun anders: "Die angesprochenen Verkehrskreise werden die Werbung dahin gehend verstehen, dass man beim Beklagten eine Bestattung wählen könne, bei der man die Urne mit nach Hause bekommt", sagt das Gericht. Ein Hinweis, dass so etwas nur in der Schweiz möglich sei, habe es zumindest damals auf der Internetseite nicht gegeben. Dass sich der Bestatter mit dem Argument wehren wollte, der Bestatterverband habe die Online-Werbung "aus dem Zusammenhang gerissen", ließ die Kammer nicht gelten.

"Die diesbezügliche Werbung des Beklagten ist irreführend" und verstoße gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Der Bestattungszwang in Deutschland sehe vor, dass die Aschereste eines Verstorbenen grundsätzlich nicht an Angehörige ausgehändigt werden dürfen. Gegen das Urteil (Az.: 4 HK O 22705/14) kann der Bestatter noch Berufung einlegen.

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SZ vom 28.10.2015
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